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UEBER

DIE SPRACHE DER ETlIüSKER.

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Wr CORSSEN.

ERSTER BAND.

MIT HOLZSCHNITTEN UND 25 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN.

1

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LEIPZIG.

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.

1874.

Tuscorum aute Komanum imperium late terra marique rea patuere.

Livins.

Das Recht der UebersotzAing in fromde S})rachen ist vorbehalten.

Einleitung.

Non mediocreis tenebrae iu silva, ubi haec captanda. Varro.

Schon ein Jahrhundert vorher, ehe Vincenzio Tranquilli zu Perugia Etruskische Inschriften sammelte und Justus Lipsius zu- erst solche durch den Druck veröflfentlichte, hatten dieselben die Augen und die Wissbegier der Italienischen Gelehrten auf sich ge- zogen. Der Dominikaner Fra Giovanni Nanni, gewöhnlich Annio di Yiterbo genannt, fälschte in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts unter andern auch Etruskische Inschriften, indem er Hebräische Wörter mit Etruskischen Buchstaben auf Steine schrieb, dieselben vergrub, sie wieder fand, und aus diesen Schriftstücken seine Zeitgenossen belehrte, dass die Etruskische Sprache von der Hebräischen und Chaldäischen stamme. Die Gelehrten der Flo- rentiner Akademie waren zum Theil derselben Ansicht, namentlich Petr. Franc. Giambullario^ aber sie wurden von anderen Zeit- genossen bekämpft und als Aramaeer verspottet*). Zu den Aramaeern gehörte auch F. A. Sigismundus Titius, der Chronist von Siena, aus dessen Bericht über eine Ausgrabung im Gebiete von Viterbo wir ersehen, dass schon an der Grenze des fünfzehnten und sech- zehnten Jahrhunderts Papst Alexander VI. Borgia und seine Zeit- genossen mit staunender Theilnahme die Steinbilder der Etrusker aus dem Dunkel ihrer Gräber zum Sonnenlichte Italiens wieder auferstehen sahen**). Einen entschiedenen Anstoss erhielten aber die Deutungs- versuche Etruskischer Inschriften erst, als in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Schotte Thomas Dempster sein Werk De Etruria regali veröflPentlichte mit Erklärungen Etruskischer Sprachdenkmäler von Fil. Buonarroti***), und nicht lange darauf

*) Äd monumenta Etrusca operi Dempsteriano adcUt. qxjilication. et coniedur. Phil. Bonarota, Dempst. Etrur. regal. I, p. 84^ 79 f.

**) Siehe unten § 289, c, S. 982 f.

***) Thomae Dempsteri de Etruria regali libh. VII. ed. Th. Coke Florent. I. II. 1723—24. Ad. mon. explic. et coniect. Fhih Bonarota.

IV

A. F. Gori in seinem Museum Etruscum seinen Zeitgenossen ein umfassendes Quellenwerk für das Etruskisclie Alterthum in die Hand gab^ das selbst heutigen Tages nocb nicht entbehrlich geworden ist*). Scip. M äff ei; ein scharfer Kopf^ erkannte die bisherigen Deutungs- versuche von Ciatti, Gori, Bourguet und anderen als „arbitrarie immaginazioni" und stellte den richtigen Satz atif: „Ogni ragion vuole, che la prima osservazione si faccia su que^ pochi monumenti^ che por- tano scritto Etrusco e Latino " : jede methodische Forschung über die Sprache der Etrusker muss von den Etruskisch- Lateinischen Bilinguen beginnen**), M äff ei macht richtige Beobachtungen über die Personen- benennung der Etrusker, indem er sie mit der Komischen vergleicht; aber der Gleichklang gewisser Etruskischer und Hebräischer Wort- endungen führt ihn vom richtigen Wege ab zu dem Glauben, dass nur von dem Hebräischen Licht für die Sprache der Etrusker zu hoffen sei. Aus den Briefen Lamis ist nur hervorzuheben, dass er zuerst eine im Wesentlichen richtige Ansicht von den Etruskischen Abstammungsnamen auf -al ausspricht; sonst ist der Gehalt derselben von keiner Bedeutung mehr***). Der verdiente Archäolog Jo. Batt. Passeri lässt in seinen Lettere Roncaliesi, befangen von dem Glauben an die Hebräische Ursprache, seiner Einbildungskraft auf dem Gebiete der Etruskologie den Zügel schiessen f). Fünf und zwanzig Jahre später aber steht er auf einem ganz anderen Standpunkte, und es ist, als ob ihm die Schuppen von den Augen gefallen wären. In seinen Paralipomena zu Dempsters Werk beschränkt sich Passeri fast ausschliesslich auf die Erklärung der Etruskischen Namen, die er nach ihren Arten untersucht. Er erkennt die Etruskischen Nomina- tive der Mutterstammnamen auf -al ganz richtig als Adjectiva, die Lateinischen Nominativen auf -al entsprechen, und weist nach, dass" die Etrusker statt des Mutterstammnamens auch den Genitiv und den Ablativ des Mutternamens brauchen. Er hat damit Formen des Nominativ, Genitiv und Ablativ Singularis der Etruskischen Sprache an das Licht gezogen, die mit den entsprechenden Latei- nischen Casusformen übereinstimmen. Daher ist ihm denn auch die Verwandtschaft der Etruskischen Sprache mit der Lateinischen so

*) Museum Jihuscum A. F. Gorii, Vol. I~IIL Florent. 1737. 1743, **) Scipione Maffei, Osservazioni leUerarie T. VI. Verona 1740, p. 107 f.

*♦*) Lettere Gualfondiane sopra qualche parte delV antickitä Etrusca. Firenze

Ifiif p. JO^.

..*«(. 0;...en.Ra<.c<>«arf'o^,«o«H .cienUfici e filolo.ici, Teneäa X740-L,

t. xxn, ,,. .i,., /. t. xxni, p. 293 f. t. xxri, p. 337 f. t. xxvii, p. äiif

V

einleuchtend geworden, dass er den Unterschied zwischen beiden Sprachen als„variam indolem dialecti" bezeichnet*). Wären diese Nachweise und Ansichten nach Verdienst gewürdigt, und wäre auf denselben mit Besonnenheit fortgebaut worden, so würden der Etrus- kologie schwere Irrthümer erspart worden sein. Passeri hat zuerst den Schlüssel zur Etruskischen Deklination gefunden- er hat zuerst dem Gedanken von der nahen Verwandtschaft des Etruskischen mit dem Lateinischen den entschiedenen und vollkommen zutreffenden Ausdruck gegeben, wenn er auch den Beweis für die Richtigkeit desselben nicht geführt hat.

Eine neue Periode der Etruskologie beginnt mit dem Werke Luigi Lanzis: Saggio di lingua Etrusca. Lanzi .nahm dasselbe in Angriff ausgerüstet mit einer vielseitigen aus der Quelle geschöpften Gelehrsamkeit auf den Gebieten der Archäologie, Epigraphik und Philologie, und stellte die Untersuchung von vorn herein auf eine breitere Grundlage als seine Vorgänger. Mit richtigem Blick hat er Mittel und Wege erkannt, die zu einem Verständniss der Etruskischen Inschriften führen können: die Etruskisch- Latei- nischen Bilinguen, die Lateinischen Inschriften mit Etruskischer Be- nennungsweise, die Städtenamen auf Münzen, die Grabschriften ein und derselben Familiengruft, die Namen von Göttern und Heroen neben den abgebildeten Gestalten derselben, ,die Griechischen und Latei- nischen Grabschriften, Weiheinschriften und Künstlerinschriften**). Indem er mit diesen Mitteln an die Erklärung der Etruskischen In- schriften ging, hat er namentlich die Erkenntniss der Personen- benennung wesentlich gefördert. Er hat mit der Hebräischen Ur- sprache völlig gebrochen, und aus der Aehnlichkeit der Etruskischen Personennamen mit denen der Römer und der verwandten Italischen Volksstämme die Ueberzeugung geschöpft, die den Grundgedanken seines Buches bildet, dass die Sprache der Etrusker verwandt sein müsse mit den Sprachen der benachbarten Völker, der Römer, Umbrer, Osker und Griechen. L. Lanzi hat aus der Stelle Etruskischer Inschriften auf Kunstwerken, namentlich auf Bronzen, nach seiner lebendigen Kenntniss derartiger Griechischer und Lateinischer Inschriften den Schluss gezogen, dass unter den Etrus- kischen Sprachdenkmälern sich Weiheinschriften und Künst- le rinschriften vorfinden müssten, und mit glücklichem Blick ein-

*) lo. Baptist. Passerii in Thomae D^npstert lihros de Etruria regali ParaUpomena, Lucae 1767, p. 227 f. p. 234. 235 f. 237.

**) Saggio di lingua Etrusca e di altre anticlie d' Italia. Luigi Lanzi. Vol. I—ILI, ed. 1. 1789. ed. 2. 1824 25/ p. 43 f. 54. 55 f. 238 f.

VI

zelne Verbalformen derselben dem Sinne nach ricbtig gedeutet*). Nichts desto weniger konnte L. Lanzi mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln das Ziel einer wissenschaftlichen Erklärung der Etruskischen Sprache nicht en-eichen. Die Zahl der ihm vorliegenden Inschriften war eine beschränkte, und die Texte derselben waren zum Theil fehlerhaft, besonders solche, die ihm von anderer Hand zu- gesandt waren, deren Originale er nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Die Griechische und Lateinische Epigraphik entbehrte noch zu sehr einer festen Grundlage und Methode, um die epigraphischen Vorfragen für die Erklärung der Etruskischen Inschriften lösen zu können. Vor allen Dingen fehlte aber Lanzi und seinen Zeitgenossen noch das schärfste Werkzeug für die Erforschung einer noch un- bekannten Sprache: eine wissenschafthche und methodische Sprach- forschung. Sobald es sich um Erklärung von sprachlichen Formen handelt, fängt dem begabten Gelehrten an der Boden unter seinen Füssen zu wanken, und indem er verschiedene Möglichkeiten vor sich sieht, werden seine Auslegungen schwankend, widerspruchsvoll und irrig; ja er hat selbst statt der richtigen Ansichten Passeris über Etruskische Casusformen gelegentlich unhaltbaren Vermuthungen den Vorzug gegeben, die dann spätere Gelehrten zu weiteren Irrthümern verleitet haben. Wenn somit Lanzi das Ziel, nach dem er strebte, nicht erreicht hat, so gebührt ihm doch die Ehre, in seinem Werke Mittel und Wege, die zur Erreichung desselben führen können, er- kannt, das Rüstzeug zur Bewältigung der schweren Aufgabe von allen Seiten zusammengebracht, und in der Deutung der Etruskischen In- schriften wesentliche Fortschritte gemacht zu haben. Das muss hier um so . entschiedener hervorgehoben werden, je dreister in unserem Zeitalter über L. Lanzi Geister den Stab gebrochen haben, die nicht werth sind, ihm die Schuhriemen zu lösen.

L. Lanzi erlebte noch das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts; im nächsten Jahrzehnt ward mit den ersten Arbeiten Fr. Bopps und J. Grimms die neuere Sprachforschung geboren.

In den zwanziger Jahren erhielt dann die ganze Etruskische Alterthumswissenschaft einen neuen Anstoss und Aufschwung durch den reichen Ertrag der eifrig betriebenen Ausgrabungen auf dem Boden Etruriens, nachdem im Jahre 1822 Giov. Batt. Vermi- glioli die Auffindung einer grossen Etruskischen Inschrift in der Campagna von Perugia verkündet hatte, und nicht lange darauf Carlo Avvolta bei Corneto auf ein noch ganz unberührtes Grab g^stossen war, m welchem er die Gestalt eines Etruskischen Kriegers

*) Sagg. di Ihig. Etr. J, 47. II, 405, 406. 407.

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in voller Rüstung auf dem Leichenbette liegen sah, die aber kurz darauf infolge des Eindringens der atmosphärischen Luft in die Grab- kammer in Staub zerfiel. Seitdem ist die Gegend von Corneto eine unerschöpfliche Fundgrube Etruskischer Alterthümer und Inschriften gewesen bis auf die neuesten Ausgrabungen der Marzi und Bruschi welche den alabasternen Sarkophag mit den Gemälden der Amazonen- kämpfe an das Licht gebracht, und die Tomba delT orco mit ihren Wandgemälden wie die Erbbegräbnisse der Famihen Velchas und Aisinas von Tarquinii aufgedeckt haben. Auf der Nekropole von Vulci begannen seit dem Jahre 1828 die Ausgrabungen des Prinzen Lucian Bonaparte und der Campanari, welche die Museen Europas mit Tausenden ' der in den dortigen Gräbern vorgefundenen Vasen Griechischer Arbeit füllten, und auf diesem Boden entdeckte dann ein Menschenalter später A. Fran9ois das merkwürdige Grab am Ponte dellaBadia mit seinen Gemälden der Griechischen und Etrus- kischen Heldensage, die neuerdings der Fürst Torlonia von der Wand hat ablösen und in sein Magazin zu Rom schaffen lassen. Bei Cer- vetri ward in den dreissiger Jahren das Regulini-Galassische Grab aufgedeckt mit seinem reichen Goldschmuck und sonstigem Grabgeräth, und ein Jahrzehnt später das merkwürdige Erbbegräb- niss der Tarquinier von Caere auf der Banditaccia. Die Aus- grabungen von Bomarzo und Veji förderten neue Schätze zu Tage. Aus zahlreichen südetrurischen Gräbern strömten die Funde zusammen in das Etruskische Museum des Vatican, in die Sammlung Campana zu Rom und in den Garten der Campanari zu Toscanella. Später seit den fünfziger Jahren sind aus den Grabkammern bei Viterbo und aus den Felsengräbern von Norchia altetruskische Sarkophage mit wichtigen Inschriften zu Tage gekommen. Das Golinische Grab von Orvieto mit seinen Wandgemälden und Wandinschriften ist der wichtigste Fund der Neuzeit auf dem Boden des Binnenlandes von Südetrurien. Auch im mittleren und nördlichen Etrurien haben seit den zwanziger Jahren die Ausgrabungen zahlreiche neue Funde zu Tage gefördert. Obenan steht unter den Fundstätten die ganze Campagna um Perugia, wo in der Nekropole des Palazzone im Jahre 1840 das prächtige Erbbegräbniss der Velimnas auf- gedeckt wurde, und eine überschwängliche Masse von Alterthümern und Inschriften an das Licht gezogen sind, darunter viele von hervor- ragender Wichtigkeit. Nächst Perugia haben die Gräber von Chiusi die reichste Ausbeute gegeben, und die Ergebnisse der neusten Aus- grabungen lassen hoffen, dass aus den Nekrop'olen der alten Haupt- stadt des Königs Porsenna noch mancher Schatz des Etruskischen Alterthums gehoben werden wird. Aber auch aus den Gräbern von

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Cortona, Montepulciano, Chianciano, der ganzen ümlande des Trasimenischen Sees, von Sena und Volterra, von Arezzo und Florenz sind seit den letzten vier Jahrzehnten viele neue Funde zu Tage gekommen. Seit den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts ist auch die Anzahl der nordetruskischen Inschriften, die in der Poebene und in den an Itahen gränzenden Alpenländern gefimden worden sind, in stetem Anwachsen geblieben. In neuster Zeit sind aus den Nekropolen von Marzabotto, La Certosa und S. Polo bei Bologna acht Etruskische Inschriften hervorgegangen, aber nur in geringer Anzahl im Yerhältniss zu der Masse von Gräbern und Grabalterthümern, die dort aufgedeckt worden sind. Auch bei Nizza haben sich Grabziegel mit Etruskischen Inschriften gefunden. Ebenso sind seitdem in der Gegend von Capua und Nola immer mehr Gefässe mit Etruskischen Inschriften zum Vorschein ge- kommen. Mit den Funden der Gräber mehrten und vervollkommneten sich die Museen Etruskischer Alterthümer und die Sammlungen von Etruskischen Inschriften*). Die in neuster Zeit von der Italienischen Staatsregierung und von den Gemeinden Etrurischer Städte ein- gerichteten archäologischen Commissionen zur Förderung der Ausgrabungen und zur Erhaltung der Alterthümer haben bereits eine erfolgreiche Thätigkeit entwickelt.

Für die Erforschung der Etruskischen Sprache war also seit Lanzi durch die zahlreichen Funde von Sprachdenkmälern eine immer breitere und festere Grundlage vorhanden, und die neuere Sprach- forschimg bot jedem ein scharfes Werkzeug für die Unter- suchung, der sich die Mühe geben wollte, den Gebrauch desselben zu erlernen. Aber es sind lange Jahre darüber hingegangen, ehe dieses Werkzeug für die Erkenntniss der Sprache der Etrusker be- nutzt worden ist. Der Einfluss von L. Lanzis Werk auf die gesammte Etruskologie war so bedeutend, dass in dem nächsten Menschenalter fast alle Forscher auf diesem Gebiet von jener Grundlage auso-ehen Ganz auf den Schultern Lanzis steht Gio. Batt. Vermiglioli der durch Veröffentlichung von Lischriften der Nekropolen von Peruo-ia und durch Erklärung von Grabschriften der dortigen Famüienbegilb- nisse die Kenntniss der Etruskischen Inschriften gefördert hat und wenn er auch gelegentlich unhaltbare Vermuthungen aufstellt, ' doch dieselben mcht wie ausgemachte Wahrheiten ausspricht m:d im Ganzen eine vorsichtige Zurückhaltung bewahrt**).

*^Corp^ ^»^crltalicar et Glossar. Ital. Ariodantis Fahretti, JPref. p. VIII-X.

) crto. liatUsta Vermirjlioli, Le antiche iscrizioni Peruqine etrusche

greche e romane. cd. I 1S04-Ö ed IT 7ä^^ qa c f.'^'^''^'''^ ezruscfie,

0. ea. 11 1633 34. Saggio di congetture sulla

IX

Der erste, der mit einem Bewusstsein von der Bedeutimg der neueren Sprachforschung an die Betrachtung der Etruskischen Sprache herantrat, ist 0. Müller in seinem wichtigen Werke die Etrusker das bis auf den heutigen Tag unentbehrhch geblieben ist für jeden, der dieses wissenschaftliche Gebiet betritt. 0. Müller spricht es von vorn herein aus, dass zur Erkenntniss der Etruskischen Sprache eine „umfassende Sprachvergleichung" gehöre; er verzichtet aber auf diese. Daher beschränkt er sich darauf, für den Zweck seines geschicht- lichen Werkes aus dem Wust der bisherigen Erklärungsversuche die haltbaren Ergebnisse auszuscheiden, zusammenzustellen und zu be- richtigen. Durchdrungen von dem Grundgedanken der neueren Sprach- forschung, dass Sprachen Naturwesen seien, die bestimmten Gesetzen der Lautgestaltung gehorchen, also auch die Etruskische Sprache, vergleicht er in methodischer Weise die Etruskischen Formen Grie- chischer Namen mit den Griechischen Originalen derselben, gewinnt so Anhaltepunkte für die Lautlehre der Etruskischen Sprache, und erkennt aus ihrer weitgreifenden Vokalausstossung das Wesen ihrer Betonung. Weiter beschränkt sich 0. Müller in seinen sprachlichen Erörterungen hauptsächlich auf die Personenbenennung der Etrusker, und fördert die Kenntniss derselben durch scharfsinnige Untersuchungen über die Bedeutung gewisser Suffixe der Personennamen für die Be- zeichnung der Verwandtschaftsbeziehungen. Insbesondere unterscheidet er klar Vater stammnamen und Mutterstammnamen auf -al, stellt die Bedeutung der Ehefraunamen auf -sa fest und erklärt richtig die Nominative der Frauennamen auf -i und -ei*). 0. Müller hat also das Verdienst, gewisse feste Ergebnisse in der bisherigen Erkenntniss der Etruskischen Sprache zusammengefasst und geklärt zu haben. Aber mehr kann man auch zu seinem Lobe nicht sagen, wenn man bei der Wahrheit bleiben will. Seine Behauptungen über Casusformen sind mehrfach unhaltbar, die von Passeri erkannten Genitivformen und Ablativformen sind ihm ent- gangen, und, ganz abgesehen von so manchen seiner Vermuthungen, bleibt es doch ein unverkennbarer Mangel seiner sprachlichen Er- örterungen, dass er die bereits verfügbaren Mittel der neueren Sprach- forschung auf seine Aufgabe nicht wirklich verwandte, da seinem klaren Geiste doch die Brauchbarkeit derselben für den vorliegenden Zweck nicht entgangen war. Das kann hier nicht verschwiegen

grande iscrizione Perug. IS 24. vgl, Etrusco Museo CMusino, P. II. Lottere di JEtnisca erudizione. Fr. Inghirami. 1828. p. 145 f.

*) 0. Müller, Die Etrusker. Breslau 1828. Vorr. S. IV. I, 65. 59. 60. 61 f. 408 f. 434 f. 437 f. 448, 449 f.

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werden; weil man lieut zu Tage wohl die Forderung aussprechen hört: ihr sollt Fortschritte in der Erkenntniss der Etruskischen Sprache machen: das darf aber nur in den Grenzen und mit den Mitteln 0. Müllers geschehen. Das heisst jemand mit dem Gesichte gegen die Wand stellen ^ und ihn auffordern vorwärts zu schreiten. Man kann doch nicht anderen als unübertreffliches Muster hinstellen, was jener ausgezeichnete Forscher selber als einen Mangel seines Werkes empfand.

Kurz nach dem Erscheinen von 0. Müllers Werk gab G. F. Grotefend eine im Ganzen besonnene Zusammenstellung der für die Erkenntniss der Etruskischen Sprache bis dahin gewonnenen Ergeb- nisse mit eicrenen Beiträojen zu derselben, die fast o-anz unbeachtet geblieben ist. Und doch hat dieser Gelehrte zuerst die wahren Reste der Etruskischen Zahlwörter an das Licht gezogen^ und von der Pronominalform mi die richtige Erklärung gegeben, die das Verständniss zahlreicher Etruskischer Weiheinschriften und Künstlerinschriften angebahnt hat*).

In den beiden Menschenaltem von Passeri bis Grotefend hat also die Erforschung der Etruskischen Sprache wesentliche Fort- schritte gemacht. Das Verständniss der Etruskischen Personen- benennung war theils erschlossen, theils wenigstens angebahnt. Formen des Nominativ Sing. masc. und fem., des Genitiv Sing. fem. und des Ablativ Sing. fem. waren an das Licht gezogen, die Spuren von Zahl- wörtern, Pronominalformen und Verbalformen aufgefunden. Wenn es^auch durchgehends an einer streng sprachlichen Erklärung dieser Wortformen vom Standpunkte der heutigen Sprachwissenschaft fehlte, so waren doch vortreffliche Anhaltepunkte für die weitere Forschung gegeben. Diese sind aber theils in ihrem Werthe nicht erkannt und benutzt worden, theils ganz unbekannt geblieben. Das schlichte und unscheinbare Wort der Wahrheit wurde übertönt von marktschreieri- schen Verkündigungen vermeintlich grosser Entdeckungen auf diesem Gebiet, die gesunden Keime der Erkenntniss kamen nicht recht „. das Licht, überwuchert von dem üppig aufschiessenden Unkraut über spannter Einbildungskraft auf dem Gebiete der neueren Etruskologie.

*) Grotefend, Neues Archiv für Philologie und Pädagor/ik 1829, S. 101 f.

^^>5 /'. Eine vorsichtige Zusammenstellung der bisher gewonnenen Ergeb- nisse für das Eti-uskische giebt meist nach 0. Müller auch A. Kirchhoff, AUgem^ M^^alss<^,rift für Wissensch. u. Littercä. .on J. G. Droysen, 1852, nfn i^T ^'''' Bemerkungen in ähnlichem Sinne Th. Aufrecht, OutUnes 0 the IMosophyot Unirerscd History, applied to Icmguage anclreligion by Chr. C , /. 7?«..en. Zo>.rfon i6^54. Vol I, p. 84. 85. 87 f, der das Etruskische für iAK Mischsprache mit Indogermanischem Bestandtheil erklärt.

an

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In derselben scheiden sich nun etwa seit Anfang der vierzi<>-er Jalire deuthch zwei verschiedene Richtungen^ die eine^ die auf der von Passeri, Lanzi und Müller gelegten Grundlage fortzubauen bestrebt ist, die andere, welche diese ganze Grundlage ohne Prüfung bei Seite wirft, und für ihre Erklärungsversuche der Etruskischen Sprachdenkmäler in weiter Ferne einen ganz anderen Boden sucht.

Der ersteren Richtung folgten fast ohne Ausnahme die Ita- lienischen und in Italien lebenden Archäologen, die sich um die Leitung und Förderung von Ausgrabungen in Etrurien wie um die Sammlung Etruskischer Alterthümer verdient gemacht haben. Wie natürlich schliessen diese aus der Art und Form des Denkmals oder Kunstwerkes, das sie vor sich haben, auf den Inhalt, den die In- schrift etwa haben kann, die auf demselben geschrieben steht. Von dem lebhaften Wunsch getrieben zu wissen und zu sagen, was die Inschrift bedeutet, fallen nun aber nicht wenige jener Archäologen, zum Beispiel Yincenzo und Secondiano Campanari, M. A. Mi- gliarini, Desid. Maggi, E. Braun wieder zurück in den Glauben der ersten Etruskologen, dass man eine unbekannte Sprache entziffern könne ohne sprachliche Beweisführung, indem man den Anschauungen und Vorspiegelungen einer durch einen starken Willensdrang auf- geregten Einbildungskraft die zuversichtliche Form von untrüglichen W^ahrheiten giebt*). Und noch heut zu Tage giebt es Archäologen, welche, befangen von dem Glauben, dass demjenigen, der viele Etrus- kische Alterthümer und Inschriften gesehen habe, eine innere Stimme das Geheimniss des Etruskischen Wortes offenbare, sich der Erkennt- niss verschliessen, dass Sprache nicht ohne Sprachwissenschaft er- klärt w^erden kann. Da aber solche Archäologen doch von ihrer An- schauung und Kenntniss der Art, Form und Bedeutung der Etrus- kischen Denkmäler und Kunstwerke ausgegangen sind, auf denen die Inschriften geschrieben stehen, so findet sich in ihren Erklärungs- versuchen derselben trotz ihrer Irrthümer mehrfach doch ein richtiger Grundgedanke über den Sinn einer Inschrift im Ganzen oder eine Verrauthung über die Bedeutung eines Wortes, die zur Erklärung

*) Deir urna di Ärunte, Vincenzio Campanari, Borna 1825, p. 15 53. 62. Giorn. arcadico di Borna, Vol. XXX, p. 293 f. Vol. XXXIV, p. 47 f. 206 f. Vol. XXXV, p. 170 f. Le tavole Perusine, Secondiano Campanari, Borna 1851, p. 5 f. Giorn. arcad. di Borna, Vol. CXIX. C XXIII u. a. See. e Dom. Campanari, Bull. d. Inst. a. 1848, p. 60. 74. M. A. Migliarini, Archivio stör. Ital. IV, 1, 142 f. XII, 2, 5 f. Zibaldone viscr., mir nur bekannt aus Anführungen von Conestabile (Mon. Perug. ^V, p. 512 528. vgl. Fahretti, Gloss. Ital.). Desiderio Maggi, Letter e di Etrusca erudizione. Fr. Imjhirami, 1828, p. 19 f. E. Braun, Ann. d. Inst, a, 1851, p. 143 148.

XII

desselben geführt hat. Sie verfallen doch nicht in solche Ausschwei- fungen der Einbildungskraft,, dass sie zum Beispiel die Weiheinschrift eines Bronzewerkes für den Bericht über die Verbrennung eines christ- lichen Märtyrers ausgeben, oder einen bronzenen Armleuchter für einen Etruskischen Compass ansehen, wie diess den Liebhabern einer wilden Sprachvergleichung zugestossen ist, welche die Sprache der Etrusker für Semitisch oder Keltisch erklärt haben.

Zum Theil gehört der Richtung der genannten Archäologen auch noch Fr. Orioli an; aber er erkennt doch die Nothwendigkeit, die Ergebnisse der neueren Sprachforschung zur Erkenntniss des Etrus- kischen zu verwenden, er zieht namentlich die auf diesem Wege ge- wonnenen Ergebnisse der Forschung über den Umbrischen und den Oskischen Dialekt in Erwägung und weist zuerst auf die Ueber- einstimmung der Etruskischen Pronominalstämme mit den Oskischen, Umbrischen, Lateinischen, Griechischen und Sanskritischen hin. Auch die Bedeutung einzelner anderer Etrus- kischer Wörter hat Orioli im Wesentlichen richtig erschlossen*). Neben diesem Gelehrten hat sich E. Gerhard ein bedeutendes Ver- dienst um die Etruskologie erworben durch sein Werk über die Etrus- kischen Spiegel. Obgleich die Inschriften derselben mehrfach un- richtig gelesen und die sprachlichen Deutungen der Etruskischen Namen zu den Gestalten der Spiegelzeichnungen zum Theil unhaltbar sind, so bat doch E. Gerhard durch seine jedenfalls immer sinnvollen und aus einer reichen Sachkenntniss geschöpften archäologischen Er- klärungen der Spiegelzeichnungen der Sprachforschung zahlreiche höchst dankenswerthe Anhaltepunkte zur etymologischen Erklärung von Na- men Etruskischer Götter und Heroen an die Hand gegeben**). Ebenso hat G. Dennis in seinem wichtigen und anziehend geschriebenen Werke über die Städte und Begräbnissplätze Etruriens durch seine aus leben- diger und vielseitiger Anschauung geschöpften Beschreibungen und Erklärungen Etruskischer Gräber und Alterthümer für die Entzifferung der Inschriften derselben vielfach eine treffliche archäologische Grund- lage geboten, und ich habe ihn auf meinen Wanderungen in Etrurien als einen getreuen und wahrhaftigen Cicerone kennen gelernt***).

*) Fr. Oriolis etniskologiscbe Abhandlungen finden sich besonders in Album di Roma Vol XIX. XX. XXI. XXII. XXIII. Annah d. Inst. a. 1S34, p. 178 f. Bull d. Inst. 1848, p. 141 f. Giorn. arcadico Vol. CXX u. a. Lettera al conte Gianc. Conestahüe, Con. Mon. Per. II, p. 132 138.

**) E. Gerhard, EtrusJcische Spiegel, Bd. I—V, Berlin 1840 48. Ueber die Gottheiten der Etrusker, Abh. d. AJc. d. Wissensch. z. Berl. 1845, S. 517 f. Ueber die Etruskischen Götternamen, Zeitschr. f. Alterthumsicissensch. 1847, n. 85.

*♦*) The cities and cimeteries of Etruria by George Dennis. Vol. I. II. London 1848. (Deutsch von W. Meissner, Leipzig 1852.)

XIII

Eine neue Epoche der Etruskischen Epigraphik beginnt mit den Arbeiten der beiden hochverdienten Italienischen Alterthums- forscher Graf Giancarlo Conestabile zu Perugia und Ariodante Fabretti zu Turin. Conestabile hat in seinen prächtig aus- gestatteten Hauptwerken Iscrizioni Etrusche e Etrusco-Latine di Firenze und Monumenti di Perugia Etrusca e Komana reiche und sorgfältige Sammlungen Etruskischer Inschriften und die ersten wirklich treuen und schönen Facsimiles von solchen hergestellt. Diesen grösseren Werken schliesst sich eine ganze Reihe epigrai^hi- scher Monographien^ Abhandlungen und Aufsätzen in Zeitschriften an. Die eingehenden Untersuchungen Conestabiles über Alphabet, Schrift und Interpunction der Etrusker, über die Arten, die Gegen- stände der Darstellungen, die Formen und die Zeitalter Etruskischer Denkmäler und Kunstwerke wie seine Erklärungen der Personen- benennungen in den Familienbegräbnissen der Campagna von Perugia im Sinne Passeris, Lanzis, Vermigliolis und 0. Müllers, aber auf viel breiterer und festerer epigraphischer Grundlage, sind Arbeiten ersten Ranges auf dem Gebiete der Etruskischen Alterthumskunde, und haben auf sprachlichem Gebiete insbesondere die Kenntniss der Etruskischen Casusformen wesentlich gefördert*). Conestabile behält die etymologischen Erklärungsversuche Lanzis in der Regel bei, aber nicht ohne Zweifel an ihrer unumstösslichen Richtigkeit, wie man aus manchen Ausdrücken schliessen muss, und mehrfach wohl nur in Ermangelung eines Besseren. Die Deutungsversuche Etruskischer Sprachdenkmäler ohne sprachliche Grundlage und Beweisführung nennt Conestabile: „Interpretazioni del tutto franche e compiute, ma cosi vaghe e ingannevoli ne' loro modi, nelle loro comparazioni, da non potersi riguardare per i veri dotti che come un gioco, un scherzo, o, si vuoi pure, un passotempo erudito^^ Er spricht die Hoffnung aus, dass die vergleichende Sprachforschung, wie sie die Erklärung der Oskischen und ümbrischen Sprachdenkmäler ermöglicht habe, so auch das Dunkel aufhellen werde, in das die Etruskische Sprache noch gehüllt sei**). Es war vornehmlich das Werk Gianc. Conestabiles

*) Iscrizioni Etrusche e Etrusco-Latine neJla galUria degJi uffizi di Firenze, Giai%c. Conestabile. Fir. 1858. Bei Monumenti di Perugia Etrusca e Eomana. F. I—IV con Atlante in foglio. Perug. 1855 1870. Spicilegiim de quelcßtes monuments ecrits ou anepigraphes des Etrusqiies. 1861 (estr. d. Pev. archeolog. d. Parigi 1861). Second Sjncilegium de quelques mon. ecr. ou anepigr. des Etrur. Parigi 1863. Pitture murali a fresco e suppellettili Etrusche scop. in una necro- poli presso Orvieto nel 1865 da D. Golini. Firenze 1865. vgl. Con. Mon. Per. IV fogl. di tit.: Ältri scritti del conte Giancarlo Conestabile.

**) Iscr. Etr. Fir. pref. p. 38. 40. 41.

XIV

über die Etruskischen Inschriften von Florenz, das in mir die üeber- zeugung erweckte, dass man auf dieser neuen Grundlage in der Er- kenntniss der Etruskischen Sprache fortschreiten könne und müsse, wenn man nur fleissig sei, und mich veranlasste, alte Vorarbeiten für dieselbe wieder aufzunehmen und fortzusetzen.

Ar. Fabretti hat in seinem Corpus inscriptionum Italica- rum zuerst eine Sammlung sämmtlicher bis dahin gefundenen Etrus- kischen Inschriften veröffentlicht mit sorgsamer Angabe der betreffenden Litteratur und wesentlichen Berichtigungen der Texte, namentlich wo er mit eigenen Augen gesehen und von den Originalen der Inschriften Abdrücke und Abschriften genommen hat. Neuerdings ist dieselbe erweitert worden durch ein erstes Supplement, das im ersten Theil die von 1867 bis 1872 gefundenen Etruskischen Inschriften enthält, im zweiten eingehende Untersuchungen über Alphabete, Schrift und Schreibweise der Etrusker und der übrigen Italischen Völker, die ich erst in den letzten Abschnitten dieses Bandes benutzen konnte. Das Glossarium Italicum Fabrettis ist ein grosses Repertorium für die Italischen Sprachen und ein nützlicher Wegweiser um die gleichen oder ähnlichen Wortformen der Etruskischen Sprache und die ver- schiedenen Erklärungsversuche zusammen zu finden. Dasselbe enthält aber auch die Erklärung zahlreicher Inschriften, durch welche Fabretti die Erkenntniss der Etruskischen Sprache in ähnlicher Weise ge- fördert hat wie Conestabile. Auf dasselbe Ziel wie diese grösseren Werke arbeiten eine Anzahl kleinerer Schriften des genannten Ge- lehrten hin*). Auch Fabretti hält sich in der Regel an den Er- klärungen Lanzis, scheint sogar gelegentlich willkürlichen und grund- losen Deutungen früherer oder neuerer Archäologen beizustimmen. Dass er aber den Glauben an dieselben in der That nicht theilt, lehrt sein Ausspruch über die Ergebnisse der bisherigen Forschung auf dem Gebiete der Etruskischen Sprache: „La, dove non si tratti piü di prenomi o di gentilizii, quasi tutto rimane oscuro". Von den

*) Corpus inscriptionum Italicarum anUqiiioris aevi et Glossarium Italicum Ariodantis Fabretti. Aug. Taurin. 1867. Primo siipplemento alla raccolta delle antichissime iscrizioni Italiche con osservazioni paleogr. e grammat. Koma- Tor ino-Firenze. Parte I. II, fasc. 1. 1872-74. Bei nomi personali presso i popoli deir Italia antica. Torino 1862. Frammenti d' iscrizioni Etrusche^ sco- perti a Nizza con brevi osservazioni. Torino 1872. (Atti della F. Accademia delle scienze di Torino, Vol. VII, 1871-1872, p. 854 f. 894 f.). Archivio sto- nco Itahco n. ser. V, p. 56 f. Saggio di osservazioni x>aleograficlie e grammati- cah sulle antichissime iscrizioni Italiche. AUi dell. E. Accad. d. scienz. di To- rino Vol. VIJT, 1872-1873, p. 103 f. 299 f. 408 f. 461 f. 715 f. Aufsätze desselben Gelehrten in der Tlivista contemporanea di Torino und im Bulletino dcir histituto archeol. Pom.

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Arbeiten Lanzis und Vermigliolis sagt Fabretti vollkommen richtig: ^,Non manchö loro che la face della grammatica comparata", und er selber zieht gelegentlich die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung zur Erklärung Etruskischer Wörter heran. Die Blätter der Inschriftensammlung von Fabretti sind mein Führer ge- wesen durch die Gräber Etruriens und die Sammlungen Etruskischer Alterthümer in Italien.

Aber schon bevor die Arbeiten von Gianc. Conestabile und Ar. Fabretti an das Licht traten, war mit dem Beginn der vier- ziger Jahre nun eine wahre Sturm- und Drangperiode in der Etruskologie losgebrochen. Ungeduldige Geister mit fruchtbarer Einbildungskraft begannen auf diesem Gebiete ihr Wesen zu treiben, die, gestachelt von dem brennenden Verlangen, den Vorhang hinweg- zuziehen, welcher die Sprache der Etrusker verhüllte, die ganze bisher gewonnene Grundlage für die Erforschung derselben, ohne sie zu kennen oder ernstlich zu prüfen, bei Seite stiessen, und nach den Sprachen der verschiedensten Völker griffen, um sie den Etruskischen Inschriften unterzuschieben. In dem Zeitalter, in welchem metho-- dische Sprachforschung und Epigraphik im engsten Bunde mit ein- ander die Hieroglyphen Aegyptens und die Keilinschriften von Ninive, Babylon und Fersepolis entziffern, tritt eine Etruskologie auf, die, ohne Kenntniss zu nehmen von Methode und Ergebnissen der Sprachforschung seit Bopp und Grimm, ohne von der neueren epi- graphischen Forschung sich wenigstens so weit zu unterrichten, als zur richtigen Lesung der Etruskischen Sprachurkunden unumgänglich notli- wendig ist, in dem Glauben befangen ist, man könne eine unbekannte Sprache errathen mit einem Geistesblitz wie ein Räthsel, offenbaren durch blosses Hellsehen der Seele, eine förmliche Mystik der Etruskologie, die sich von der Anforderung und Verpflichtung streng wissenschaftlicher Beweisführung entweder entbunden glaubt, oder von derselben überhaupt keine Vorstellung hat. Da werden denn die Etruskischen Wörter zerschnitten wie die Glieder des Absyrtos, und umgekehrt beliebige Buchstabenfolgen zu vermeintlichen Wörtern zu- sammengeballt, und solche Wortfetzen und Buchstabenklumpen werden für Etruskische Wörter Keltischen, Germanischen, Slavischen, Sanskri- tischen, Semitischen oder Altaischen Ursprungs ausgegeben. Oder wo es noch glimpflicher hergeht, da läuft doch Alles auf eine Gleicli- setzung Etruskischer Wörter mit Wörtern anderer Sprachen, hinaus, lediglich nach dem gleichen oder ähnlichen Klange, ohne dass die Gesetze der Lautgestaltung und Formenbildung der Etruskischen Sprache irgend ernstlich untersucht und geprüft würden. So erklären C. Janelli, C. Tarquini, G. Stickel, Fr. Leoni diese Sprache wie

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die alten Aramäer in Italien für Semitisch^ aber jeder in ganz verschiedener Weise, wie der andere, W. Betham für Keltisch, K. V. Maack für Irisch, W. Donaldson für Skandinavisch, K. V. Schmitz und A. Crawford-Lindsay für Altdeutsch, J. Kollär für Slavisch, A. Bertani für Sanskrit, E. Ellis für Armenisch, I. Taylor für Altaisch-Finnisch oder Nord-Turanisch*). Ohne wissenschaftliche Untersuchung hat man der Etruskischen Sprache auf den Kopf zugesagt, was sie sein soll, und, nachdem man sie abgeschlachtet, das Verdammungsurtheil über die Unglückliche aus- gesprochen, sie sei ein halbbarbarisches, verkommenes Bastardkind von einer ausländischen Mutter, das sich nach Italien verlaufen habe. Dass solche Versuche, das Käthsel der Etruskischen Sprache zu lösen, in den Kreisen geschulter und besonnener Forscher keinen

*) Tentamen hermeneuticum in Etruscas inscriptiones eiusque fundamenta proposita a Cataldo Janellio, Neapoli 1840. C. Tarquini, Civiltä catto- Uca, Ser. HI, Vol. VI, p. 551 f. VIII, p. 727 f. IX, p. 348. X, p. 346 f. .731. Revue archeol. XIV, 715 f. XV, 193 u. a. Das EtrusMsche durch Er- klärung von Inschriften und Namen als Semitische Sprache enviesen von Joh. Gust. Stickel, Leipz. 1858 (vgl. G. I. Ascoli, Intorno ai recenti studj diretti a dimostrare il Semitismo della lingua Etrusca, Archiv. Stör. Ital. n. ser. XI p. 1 34. Gildemeister, Zeitschr. d. deutschen morgenl. Gesellsch. XIII, S. 289 f.).

Francesco Leoni, L' Eco della Provincia di Arezzo, 1874. n. 5, p. 2 f. n. 0, p. 2. Etruria Celtica, Etruscan literature and antiquities investigated, or the language of that ancient and illustrious people compared and identified with the Iberno-Celtic and hoth shoim to he Phoenician hy William Betham, Vol. I. IL Dublin 1842 (vgl. G. B. Vermiglioli, Conestahile, Monum. Perug. II, p. 129 f.). Die Enlzifferung des Etruskischen und deren Bedeutung für nordische Archaeologie und für die Urgeschichte Europas. P. H. K. v. Maack. Hamburg 1873 (vgl. Revue critique d'histoire et de litterat. VII. 1873, p. 345 f.).

J. W. Donaldson, Varronianus, A critical and historical introduction to the ethnography of ancient Italy and to the philological study of the Latin language 2 ed. London 1852, p. 68. 70 f 139, f 170 f 177 f 180 f - Die grosse Peru- simsche Inschrift übersetzt von Karl von Schmitz, Zeitschr. f d. Alterthums- wzssensch. 1846. Septemb. Beil. S. L 2. Ein Werk über hetrurische " Inschriften mit emer BeuguDgslehre und einem Wörterbuch dieses Gelehrten, hat wie der- selbe sagt, kernen Verleger gefunden. - Etruscan inscriptions analysed, trans- latedand comnented upon by Alex. Earl of Crawford and Balcaress Lord Lindsay. London 1872 (vgl Philologischer Anzeiger V. 1873, S. 69). - Staro- uZ ''/«^-^«t^f %/^^ Dollar ve Vidm 1853, p. 137-335 (vgl A. Pßzmaier, MhtTlTi ^?;^^f ^;\^^-^^-'^-i/ ^^' Etruskischen Sprache, Sitzungsber. der Pnl.-Imt. AI d. Akad. d. Wzssemch. z. Wien. 1850. IV, S. 49 f.) -Essai de d^lnßrement de rpcel^ues inscriptions Etrusques. A. Bertani. Leipzig 1860 (vgl /^eitschr. f verql Snracli XV 8 i\o\ t7 < . . ^

cmu. Rob. Ellis London 1861 \7 T '"''"" "^ *"' ^*™'-

r„ / ,„1,7, , '^"'"'" ^^''^- etruscan researches hy Isaac Taylor Wo» 1874 0,„. Ma. MiOler. TU Acade,ny , 1874, Jan. ,,/„. 13 f. Aprüll,

XVII

Glauben fanden, war natürlich. Im Gegentheil hier griff infolge der Auswüchse der Etruskologie die Meinung Platz, als könne die Etruskische Sprache nicht füglich Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung sein, weil die Mittel und Wege dazu fehlten. Man lächelte, man zuckte die Achseln, wenn man hörte, es beschäftige sich jemand mit der Erforschung der Etruskischen Sprache, als stände das auf einer Linie mit Gold machen oder mit der Quadratur des Kreises.

Neben den angeführten Erzeugnissen einer wild wuchernden Sprachvergleichung sind bis in die neuste Zeit Abhandlungen und Aufsätze erschienen, welche entweder die Etruskische Sprache im Ganzen behandeln oder gewisse Sprachdenkmäler, die natürlich hier nicht alle einzeln durchgegangen werden können. Die Mehrzahl der- selben fusst entweder ganz auf der Grundlage von Passeri, Lanzi und Müller, oder sieht doch wenigstens in dem Etruskischen eine dem Lateinischen, Griechischen und Keltischen mehr oder minder nahe verwandte Sprache. Von diesen stehen einige etwa auf dem Stand- punkte der Campanari und Migliarini, andere bieten manche richtige Ansichten oder glückliche Vermuthungen über Etruskische Wortformen, entbehren aber einer strengen Beweisführung; nur ein- zelne derselben sind den Fortschritten der neueren Italischen Sprach- forschung gefolgt*). Besonders zu erwähnen habe ich hier nur noch

*) L. Steuh , üeher die Urheivohner Bhätiens. Mimchen 1843, S. 1 f. 18. 33. 137 f. 146 f. Zur Bliätischen Ethnologie, Stuttg. 1854, S. 3 f. 7 f. 9 f. 13 f. 221 f. Zur Erklärung Etruskischer Inschriften, Sitzungsber. d. k. Bayer. Akad. d. Wiss. ph.-ph. Kl. 1864, S. 42 f. 54 57. Lorenz (Van den Bergh), Beiträge zur Beu- tung der Etruskischen Inschriften, Beiträge z. vergl. Spr. IV, 1 f. 474 f. V, 204 f. Van den Bergh, Beschouwingen over Etrurische opschriften. Verslag. en Mededeeling. d. k. Akad. van wetenseh. afd. Jett. 1862. VI, 301 f. Janssen, Over de jongste ontcijferingsproeven van het Etruskisch door den Graaf Conestahile , a. 0. VII, 269 f. A. Maury, Memoire sur la langue Etrusque. Comptes rendus. E. I)es- jardins 1858, p. 166 f. Journal des Savants 1869, p. 422 (vgl. Conestab. Mon. Per. IV, Aggiunt. p. VII f XII f XX f. XXIV f.). P. A. Boudard, Etüde sur Vinscription Etrusco-Latine du tombeau de Publius Vplumnius. Paris 1868. Ch. Schneller, lieber die sogenannten Bhäto - Etruskischen Inschriften, Archiv für Geschichte Tirols, Jhg. III, S. 173; doch vertritt der genannte Gelehrte die in diesem Aufsatze ausgesprochenen Ansichten jetzt nicht mehr, wie er mir freund- lichst mittheilte. E. Lottes, Osservaz. sopr. alc. iscrizioni Etrusche. Estr. dalle Mem. d. r. Istit. Lombard, di sei. e lett. Vol. XI, II, Ser. III, 1869. Sopra le iscrizioni bilingui Etrusco-Latine. Estr. dai Bendiconti d. r. Istit. Lombard, d. sc. e l Vol. IV, fasc. XVII, 1871. Epigrafi Etrusche, a. 0. Vol. IV, fasc. XX. Vol. V, fasc. II. Vol. V, fasc. VII. Vol. V, fasc.^XVII. 1872. Osservaz. paleogr. e gram. Mem. d. r. Ist. Lomb. adun. 7. Agost. 1872. Osserv. int. a alc. voci Etr. Estr. d. Bendic. d. r. Ist. Lomb. Vol. VI, fasc. III. V. XI. 1873, p^ 1 22. Studj p. Vind. verbor. a. 0. Vol. VI, fasc. XV. J. G. Cuno, Etrus-

CoRSSEN, Etruakische Sprachdenkmäler. ^

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die Arbeiten zweier Gelehrten. L. Steub ist kein Sprachforscher von Fach, und man kann seinen Ansichten vielfach nicht beitreten aus sprachlichen Gründen; aber er hat der Etruskischen Forschung einen frischen Anstoss gegeben, indem er, ausgehend von der bezeugten Thatsache, dass in Rätien Etruskisch gesprochen worden ist, die Ortsnamen von Tirol und den angrenzenden Alpenländern einer Unter- suchung unterzogen hat. Er hat einzelne Etruskische Wörter mit glücklichem BHck gedeutet und richtig erkannt, dass die Etrus- kische Namenbildung in ihren Grundbestandtheilen keine andere ist als die Lateinische, und sich von derselben haupt- sächlich durch ein weitgreifendes Schwinden der tieftonigen Vokale in den Bildungssilben unterscheidet. In neuster Zeit hat E. Lattes eine Anzahl von Abhandlungen über die Etruskische Sprache veröffentlicht. Nachdem derselbe in seiner Erstlingsarbeit von den durch Passeri, Lanzi, Müller, Grotefend, Conestabile und Fabretti gelegten Grundlagen für die Erforschung der Etruskischen Sprache weit abgewichen und dadurch zu der Behauptung von einer Vielnamigkeit der Etrusker gelangt war, die er seitdem selbst nicht mehr vertreten, hat er sich in seinen folgenden Abhandlungen einer vorsichtio'eren und methodischeren Behandluno; der Etruskischen In- Schriften zugewandt. Indem er die Ergebnisse der neueren Italischen Sprachforschung sorgfältig benutzt, giebt er eine ganze Reihe von richtigen Beobachtungen und nützlichen Beiträgen zur Laut- gestaltung und Wortbildung der Etruskischen Sprache. Deutungsversuche und Vermuthungen über die Bedeutung von Wör- tern, die nicht den grammatischen Zusammenhang und Sinn des Sprachdenkmals nachweisen^ in welchem dieselben vorkommen, kann ich, wie überhaupt, so auch hier nicht als Fortschritte in der Er- kenntniss der Etruskischen Sprache ansehen.

Es hat sich also herausgestellt, dass trotz aller Ausschreitungen und Verirrungen der Etruskologie doch die Erkenntniss der Etrus- kischen Sprache seit Maffei und Passeri bedeutende Fort- schritte gemacht hat. Die Grundzüge der Personenbenennung sind erkannt, zahlreiche Formen des Nominativ, Genitiv und Ablativ Singularis festgestellt, manche Stämme der Zahl- wörter und Pronominalformen an das Licht gezogen, die Spu- ren von Verbalformen aufgefunden, charakteristische Merk- male der Lautgestaltung und Wortbildung hervorgehoben.

Ich habe in den Arbeiten meiner Vorgänger, die zu diesen Er-

kische Studien. Neue Jahrh. f. dass. PMlol 1873, S. 649 f. Gamurrini, Scavi dl Cliiusi, Bidl. d. Inst arch. Mom. 1874, p. 10 f. 13 f.

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gebnissen geführt haben, nach bestem Wissen und Willen hervor- gehoben, was ich als stichhaltig und verdienstlich anzuerkennen ver- mag, denn ich habe keine Neigung, mich mit fremden Federn zu schmücken, und verabscheue das Verfahren, die Arbeit eines Anderen auszubeuten und dem Arbeiter mit Fusstritten zu lohnen. Wenn aber bis auf den heutigen Tag im Bereiche der Etruskologie fort und fort Ausschreitungen zu Tage treten, wie sie auf anderen Gebieten der Wissenschaft längst unerhört sind, dann ist man gezwungen die Sache bei ihrem wahren Namen zu nennen, oder man zieht den Verdacht der Mitschuld auf sich.

Ich kann den Nachweis führen, dass ich mich seit einem Menschenalter mit der Sprache der Etrusker beschäftigt habe*). Aber frühzeitig gelangte ich zu der Ueberzeugung, dass eine genaue Durchforschung der Lateinischen Sprache wie des Oski- schen und Umbrischen Dialektes vorhergehen müsse, ehe eine sprach- wissenschaftliche Erkenntniss des Etruskischen zu ermöglichen sei. Allerdings wurden durch die Auswüchse der Etruskologie meine Zweifel an der Möglichkeit der Erreichung dieses Zieles zeitv/eise fast bis zum Verzweifeln gesteigert; aber mit jedem Fortschritt der Er- kenntniss auf dem Gebiete der Italischen Sprachen, namentlich durch die Forschungen von Aufrecht und Kirchhoff und von Th. Momm- sen, wie der Lateinischen, Griechischen und Etruskischen Epigraphik hob sich meine Hoffnung wieder, und ich fand neue Grundlagen und Anhaltepunkte für die Erkenntniss der Etruskischen Sprache. So habe ich ausharrend in schweigender Arbeit den schwierigen Sprach- stoff gesammelt, gesichtet, verglichen und gestaltet, bis ich im Laufe der Jahre allmählich zu einer festen und ruhigen Ueberzeugung gelangte, wess Geistes Kind die Sprache der Etrusker sei. Wie diese meine Ueberzeugung beschaffen sei, habe ich bereits vor elf Jahren zu erkennen gegeben, indem ich die Assibilation und die Betonung der Etruskischen Sprache in den Kreis meiner Untersuchungen über die gleichen Lauterscheinungen im Latei- nischen und in den verwandten Dialekten hineingezogen, und den Etruskischen Ehefraunamen auf -sa gleich gebildete Wortformen an die Seite gestellt habe**). Ich habe dann vor fünf Jahren in der zweiten Ausgabe meines Buches über Aussprache, Vokalismus und

*) Verf. Origines poesis Romanae. 1846 , p. 19, not. p. 31, not. Z.' f. vergl. Spr. XI, 406, Anm. XIII, 317. XV, 150 f. Kritische Beiträge, S. 484 f. 582 f. Äusspr. II, 67. 1086. 2 A. Bull. d. Inst. arcJi. Born. 1871, p. 214 f. Mit- theilungen der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig, 1872, No. 2, S. 21. 22.

**) Verf. Krit. Beitr. S. 484 f 582 f

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Betonung der Lateinischen Sprache nicht bloss weitere Etruskische Wortformen behandelt^ ich habe dieselben auch aufgenommen in das Wortverzeichniss des Buches, das sonst nur Wörter der Italisch-Lateinischen Sprachfamilie enthält, und damit deutlich gezeigt, wo nach meiner Ansicht die Heimath der Etruskischen Sprache zu suchen sei. Aber ich habe es vermieden, mich in be- stimmten Worten über diese Hauptfrage auszusprechen, weil ich mir bewusst war, noch nicht alle Mittel der Beweisführung für dieselbe in Händen zu haben. Auf die Erklärung einzelner Etruskischer In- schriften habe ich mich absichtlich nicht eingelassen, ehe ich die grammatische Grundlage, auf der ich fusse, nicht darlegen konnte; nur einmal habe ich durch die Erklärung einer bloss aus Namen bestehenden Grabschrift des Valtellin den Beweis angetreten, dass auf dem Boden des alten Rätiens in der That einmal dieselbe Sprache und dieselbe Personenbenennung heimisch war wie in Etrurien, und dabei meine Ansicht über den Ursprung und die Stammverwandtschaft der Etruskischen Sprache für jeden Sprach- kundigen deutlich genug zu erkennen gegeben*).

Nachdem ich die Grundlagen dieses Buches gelegt und das gesammte Material der bisher veröffentlichten Etrus- kischen Inschriften kritisch durchgearbeitet hatte, schickte ich mich nunmehr an, mich in den Besitz aller jener Mittel für die Beweisführung zu setzen, die mir noch fehlten, meine Kenntniss der Etruskischen Inschriften aus der Quelle selbst zu schöpfen, die Denk- mäler und Kunstwerke des merkwürdigen Volkes, das sie geschrieben, aus eigener Anschauung auf dem Boden Etruriens kennen zu lernen, neben meinem Hauptwerkzeug, der Lautforschung, auch die Epigraphik und die Archäologie als Mittel zur Entzifferung der Etruskischen Sprachdenkmäler heranzuziehen, soweit sie irgend dazu verwendbar wären.

Da ich längst die Gewissheit gewonnen hatte, dass die Etrus- kischen Inschriften auf Grabwänden, Sarkophagen, Cippen, Bronze- werken und Gefässen von höherer Wichtigkeit seien für die weitere Erforschung der Etruskischen Sprache als die gewöhnlichen nur aus Namen bestehenden Grabschriften auf Aschenkisten und Grabziegeln, so bin ich zuerst vorwiegend denjenigen Fundstätten und Sammlungen nachgereist, wo ich diese Sprachdenkmäler vorzufinden hoffen konnte.

Ich wusste, was ich suchte, als ich im Jahre 1870 vom Kamme des Apennin zum erstenmale die Gefilde Etruriens um Pistoja, angehaucht vom ersten Frühlingsgrün, in sonnenhellem

*) Bull (1. Imt. a. ü. 1871, p. 214 f.

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Farbenschmelz zu meinen Füssen sah, für mich das gelobte Land, nach dem ich lange getrachtet. Ich bin hin und her gewandert über die langgezogenen Bergrücken Etrurischer Städte und Nekropolen, zu Fuss, auf zweiräderigen Wagen, auf kleinen Campagnepf erden, wenn unter der heissen Mittagssonne in dem Eichengebüsch und Ginster über den Gräbern der Etrusker viele Tausende von Grillen zirpten, und wenn im Abendlicht das ferne Tyrrhenische Meer veilchen- farben schimmerte, und der rothe Tuf der Berge wie glühendes Eisen zu brennen schien. Lange Stunden habe ich in feuchten Grab- kammern geweilt, um beim Kerzenlicht verblichene oder halb ab- gebröckelte Inschriften abzuzeichnen, in Magazinen, Rumpelkammern und abgelegenen Hofwinkeln habe ich von verkommenen Etruskischen Sarkophagen, von unscheinbaren Aschentöpfen den Schmutz abgekratzt, um ihre Sprachurkunden zu lesen. Durch Italienische Gastfreund- schaft ist es mir vergönnt gewesen, selbst Nachgrabungen anzustellen und Hand anzulegen, um Etruskische Sprachdenkmäler an das Licht zu ziehen, in dem stillen Binnenlande Südetruriens zwischen Pian- sano und Arien a, das nur selten der Fuss eines Fremden betritt. Auf dem Bauche liegend in einem frisch geöffneten Grabe Inschriften abzeichnen, während ein Italienischer Hirt in seinem Ziegenfell an Stelle der Hose mit der Kerze über die verwitterten Schriftzüge hin und her leuchtet, das hat seine Reize, aber auch seine Schwierig- keiten. An Enttäuschunojen hat es auf diesen Wanderuno-en nicht gefehlt. Noch ragen hie und da die Karniese und Portale der Felsen- gräber empor in wilder, abgelegener Einsamkeit, wie trauernd über den Untergang des Etruskischen Volkes. Aber das geschriebene Wort, das mir Kunde bringen sollte von diesem Volke, suchte ich dort vergebens; drinnen war alles todt und stumm. Statt bunt ge- malter Gräber mit Wandinschriften, Sarkophagen, Aschenkisten und Grabgeräthen , auf die ich gehofft, fand ich leere, wüste Höhlen. Andere jüngst aufgedeckte Gräber traf ich wieder zugeschüttet, ent- weder um sie vor Zerstörung zu behüten, oder weil der Besitzer den Grund und Boden benutzen wollte. Berühmte Sammlungen Etrus- kischer Alterthümer waren verkauft, versplittert oder im Verkommen begriffen. Aber für diese Enttäuschungen ward ich entschädigt durch Funde noch nicht bekannter Inschriften in Gräbern, öffentlichen Mu- seen und Sammlungen von Privatleuten wie in den Läden und Maga- zinen von Händler» und Verkäufern von Alterthümern.

Um zuverlässige Texte der Inschriften zu gewinnen habe ich in der Regel die Abzeichnung ller Buchstabenformen an- gewandt, auf die man für die Etruskischen Inschriften um so mehr angewiesen ist, als eine verhältnissmässig grosse Zahl derselben bloss

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schwarz oder roth aufgemalt ist. Bei zweifelhaften Stellen eingehauener Inschriften habe ich den nassen Papierabklatsch zu Hülfe genommen. Da aber die Oberfläche des Etruskischen Gesteins vielfach uneben, porös, verwittert und stellen weis ausgesprungen ist, so giebt derselbe nicht selten von den Inschriften ein unvollkommenes Bild, und vollends der trockene Graffitabdruck ist für die Etruskischen In- schriften nur ausnahmsweise anwendbar. Für Inschriften auf Bronze- werken habe ich vielfach den Staniolabdruck angewandt; wenn aber die Buchstaben derselben sehr fein und klein eingeritzt, oder die Ritzen derselben durch Rost und Patina ausgefüllt sind, dann ist man auch hier auf Untersuchung mit dem bewafiPneten Auge und auf Zeichnung angewiesen.

Wo die Originale der Etruskischen Inschriften gar nicht mehr, oder nur unvollständig vorhanden sind, habe ich natürlich nicht unterlassen können, wo es thunlich schien, den Text derselben zu ergänzen und zu berichtigen nach denselben Grundsätzen, nach denen in solchen Fällen die Lateinische und Griechische Epi- graphik verfährt, wie dieses auch von Conestabile und Fabretti mit Erfolg auf die Etruskischen Inschriften angewandt ist. Ich habe aber dann jedesmal von dem Zustande des in Rede stehenden Textes und von meinem Verfahren mit demselben Rechenschaft abgelegt, und niemals habe ich auf eine unsicher überlieferte Inschrift Haupt- sätze meiner Beweisführung gestützt. Ich habe mehrfach solche In- schriften aus dem Spiele gelassen, deren Ueberlieferung mir Miss- trauen erregt hat. Für die Wortabtheilung solcher Inschriften, in denen die Interpunction ganz fehlt oder mangelhaft ist, musste natürlich massgebend sein, dass durch dieselbe Wortformen oder Siglen von solchen zu Tage treten, die sich entweder ebenso in anderen Etruskischen Sprachdenkmälern finden, oder doch in den- selben ihres Gleichen haben.

Das eigentliche Hauptwerkzeug zur Entzifferung ist Sprachforschung nach strenger Methode, welche die Etrus- kischen AVortformen unter sich und mit den Wörtern der Lateini- schen Sprache, der verwandten Dialekte und dann weiter der übrigen Indogermanischen Sprachen vergleicht, von jedem Laut und jedem Bildungsbestandtheil des Wortes genau Rechenschaft ablegt, den Sinn desselben aus dem Zusammenhange, in welchem es vorkommt, folgert und etymologisch erklärt, und den Beweis führt, dass der so gefundene Sinn an allen Stellen der Sprachurkunden, wo das Wort vorkommt, passend ist. Die vier Säulen, auf welchen die Ergebnisse meiner Arbeit beruhen, sind Epigraphik, Archäologie, Onomatologie und Lautforschung. Erst nachdem ich mit dieseu Mitteln durch die

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Untersuchung und Erklärung Tausender von Etruskischen Inschriften in völlig zuverlässigen Texten die Grundlagen der Lautgestaltung und Formenbildung der Etruskischen Sprache gelegt^ habe ich die Ety- mologie, welche die Wurzel und die Grundbedeutung des Wortes aufsucht, als ein für die weitere Erkenntniss derselben allerdings unentbehrliches Hülfsmittel herangezogen. Wie ich die Etymologie bisher immer nur als Mittel angewandt habe, das Gesetz der Sprache zu erkennen, so dient sie auch in diesem Buche dem- selben Endzwecke. Ich habe für jede etymologische Erklärung, die ich aufgestellt, vorher eine Grundlage gesucht aus dem sonst erkenn- baren Sinn der vorliegenden Inschrift und aus der Art, Form und Bestimmung des Denkmals oder Kunstwerkes, auf welchem dieselbe geschrieben steht. Ich habe niemals für eine solche unter irgend einem Vorwande Lautwandelungen angenommen, die sonst auf dem Boden der Etruskischen Sprache nicht erweislich wären. Trotz aller dieser Vorsicht kann ja eine etymologische Erklärung fehl gehen, und sobald wirkliche sprachliche oder sachliche Gründe gegen eine solche geltend gemacht, oder statt derselben eine einfachere, ein- leuchtendere Erklärung geboten wird, welche die angegebenen Vor- bedingungen erfüllt, werde ich jene fallen lassen. Wenn nun aber die eine oder die andere der von mir aufgestellten Etymologien Etruskischer Wörter sich nicht als stichhaltig erweisen sollte, so werden dadurch die Ergebnisse der hier geführten Untersuchung über die Lautgestaltung und Formenbildung der Etruski- schen Sprache im Ganzen nicht in Frage gestellt, und das ist ja die Hauptsache, um die es sich hier handelt. Ja selbst wenn sich meine ganze Erklärung der einen oder der anderen Inschrift als ^unrichtig ergeben sollte, so würden jene Grundlagen doch unerschüttert bleiben. Und ebenso wenig werden dieselben dadurch in Frage ge- stellt, ob man über den Ursprung gewisser Formenbildungen der Indogermanischen Sprachen dieser oder jener Ansicht huldigt, ob man für die Lösung der letzten Probleme sprachlicher Forschung diese oder jene Theorie glaublicher findet. Ich habe das Haus von unten auf gebaut, und jeden Stein lange geprüft, ehe ich ihn gelegt, und endlich das Dach darauf gesetzt habe. Die Beschädigung einer Giebelspitze oder eines Dachziegels kann das Gebäude nicht zu. Fall bringen. Aber, so weit ich von dem eitelen Wahne fern bin, dass ich untrüglich wäre, so sicher werde ich die Errungenschaften meiner Arbeit vertreten, so lange sie nicht mit redlichen und wahr- haftigen Gründen widerlegt sind.

Ausser der Sprachforschung sind die wesentlichsten Hülfsmittel - für die Entzifferung der Etruskischen In-

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Schriften^ die meist schon L. Lanzi richtig erkannt hat, insbesondere folgende :

1. Die Etruskisch-Lateinischen Bilinguen, in denen Etrus- ker durch Uebersetzung von Wörtern ihrer Sprache in das Lateinische die Erklärer derselben sind, und solche Lateinische Inschriften, in denen eigenthümlich Etruskische Verwandtschaftsbezeichnungen in das Lateinische übertragen sind, so dass man aus dieser Uebersetzung das nicht erhaltene Etruskische Original zu erschliessen vermag.

2. Die erklärenden Inschriften, welche Etruskische Künst- ler neben die Gestalten ihrer Kunstdarstellang ge- schrieben haben, um diese ihren Landsleuten leichter verständ- lich zu machen. Uns ist das Bild des Künstlers vielfach aus dem Griechischen Urbild oder aus anderen archäologischen That- sachen und Gründen verständlich, das daneben stehende Wort aber durch das Aussterben der Etruskischen Sprache unverständ- lich geworden. Für uns wird also das Bild des Künstlers das Mittel für das Yerständniss des Wortes desselben.

3. Die Vergleichung der Personenbenennungen eines und desselben Familienbegräbnisses unter sich, durch welche die Erkenntniss der Familiennamen, der Vornamen und der Verwandtschaftsbezeichnungen erschlossen wird.

4. Die Vergleichung der Etruskischen Personenbenen- nungen mit den Römischen, die zu demselben Ziele führt.

5. Die Vergleichung der Inschriften auf Grabdenkmälern und Kunstwerken der Etrusker mit den Inschriften auf Griechischen und Römischen Grabdenkmälern und Kunstwerken. Denn bei der Aehnlichkeit jener mit diesen in Art, Form und Bestimmung, und bei der Aehnlichkeit von Cultur- zuständen und Kunstformen der Etrusker im Allgemeinen mit denen der Griechen und Römer, entweder auf Grund ursprüng- licher Verwandtschaft, oder infolge des internationalen Verkehrs, hat von vorn herein die Voraussetzung hohe Wahrscheinlichkeit für sich, dass sich unter den Inschriften der Etruskischen Denk- mäler und Kunstwerke Gedächtnissinschriften, Weihe- inschriften und Künstlerinschriften befinden, die den Latei- nischen und Griechischen Inschriften dieser Gattung an gleicher Stelle entsprechen.

6. Vergleichung der in Inschriften Etruskischer Gräber vorkommenden Wortformen, die nicht Eigennamen sind, insbesondere solcher, welche die Endungen Lateinischer Accu- sativformen haben, mit den in den Gräbern vorgefun-

o

XXV

denen Gegenständen, sowohl den Geräthschaften als den baulichen Einrichtungen derselben, da die Schlussfolgerung nahe liegt, dass durch jene Wörter der Inschriften zum Theil diese Gegenstände der Gräber bezeichnet sind. Diese Schlussfolgerung erhält dadurch ihre vollste Berechtigung, dass in Römischen und Griechischen Grabschriften häufig die für die Gräber hergegebenen und angefertigten Gegenstände angeführt sind, und die Einrichtung und Aus- stattung derselben angegeben ist. Ausserdem aber geben Grabdenkmäler und Kunstwerke durch ihre besondere Form und Bestimmung noch mannigfache Anhaltepunkte für die Deutung der auf ihnen befindlichen Inschriften, die man vielfach nur aus eigener Anschauung derselben gewinnt. Gerade auf diese Anhaltepunkte habe ich in den Gräbern Etruriens wie in den Sammlungen Etruskischer Alterthümer unausgesetzt meine ganz be- sondere Aufmerksamkeit verwandt. Ich habe auch vielfach die Werk- stätten von Bronzearbeitern, Steinhauern und Bildhauern besucht, ihrer Arbeit zugesehen, und mich von ihnen über dieselbe belehren lassen, um für die Erklärung Etruskischer Künstlerinschriften auf Bronzewerken und Steinarbeiten festen Boden zu gewinnen.

Oftmals bin ich im Laufe der letzten Jahre von Philologen und Archäologen in Deutschland und in Italien, welche die vergleichende Sprachforschung mit misstrauischen Blicken ansehen, und vor den Auswüchsen der Etruskologie eine begreifliche innere Abneigung empfinden, gefragt worden, was ich denn, abgesehen von der Lin- guistik, für Mittel in der Hand hätte zur Entzifferung der Etrus- kischen Inschriften. Und nachdem ich ihnen Punkt für Punkt die Hülfsmittel der Forschung dargelegt, so wie sie hier zusammengestellt sind, und nachdem ich hervorgehoben, dass durch blosse Lingui- stik die Deutung ebenso wenig möglich sei wie durch blosse Archäologie, haben sie die Brauchbarkeit jener Hülfsmittel nicht bloss unumwunden anerkannt, sondern auch mehrfach mich zu meinem Unternehmen mit Wärme aufgemuntert, und dasselbe in dankens- werther Weise mit Rath und That unterstützt und gefördert.

Der erste Haupttheil dieses Buches enthält die Erklärung der Etruskischen Sprachdenkmäler, von den kürzesten und am leichtesten verständlichen beginnend und zu den ausführlicheren und schwierigeren fortschreitend, geordnet nach den Arten der Inschriften und den gleichen sprachlichen Formen, die in ^ihnen vorkommen. Weshalb ich die Abhandlungen über die Griechischen Wörter in Etruskischen Sprachdenkmälern, über die Münzaufschriften, über die grosse Graburkunde auf dem Cippus von Perugia und

XXYI

Über die Etruskischen Inschriften von ümbrien, Oberitalien und Rätien an das Ende dieses ersten Bandes gestellt habe, wird aus diesen Abschnitten selbst erhellen. Der zweite Band des Buches, der seit zwei Jahren druckfertig ist, umfasst die Lautgestaltung und Formenbildung der Etruskischen Sprache nach den Ge- sichtspunkten der Lateinischen Grammatik geordnet, eine zusammen- fassende Darstellung der Etruskischen Personenbenennung verglichen mit der Römischen, Griechischen und Deutschen, und als Schluss des ganzen Werkes eine Abhandlung über die Ausbreitung der Etruskischen Sprache, über das Zeitalter ihrer Sprach- denkmäler und die erkennbaren Hauptepochen ihrer Ent- wicklung, endlich über die Verwandtschaft und Herkunft der Sprache des merkwürdigen Volkes, das einst weit und breit herrschte über Länder und Meere zwischen dem Brenner und dem Vesuv.

Es war meine Absicht, den ersten Band des Buches mit der Erklärung der Inschriften nicht eher zu veröffentlichen, bis ich auch den zweiten, die systematische Darstellung der Lautgestaltung und Formenbildung der Sprache, dem Urtheil der Sachkundigen vorlegen könnte, da ja erst durch diese der Beweis für die Richtigkeit der Erklärungen vollständig wird. Da ich indess bei der Behandlung der Inschriften stets von allen Lauten und Bildungsbestandtheilen der Wörter Rechenschaft abgelegt, da ich vielfach auf die Abschnitte der Etruskischen Grammatik im zweiten Bande verwiesen, da ich am Schluss der Abschnitte dieses ersten Theiles meiner xlrbeit meist die sprachlichen und sachlichen Ergebnisse derselben übersichtlich zu- sammengestellt habe, so glaubte ich dem Wunsche meines Herrn Verlegers nachgeben zu können, diesen ersten Band schon jetzt zu veröffentlichen.

Die dem Buche beigegebenen Abbildungen von Inschriften, Alphabeten, Denkmälern und Kunstwerken der Etrusker haben den Zweck, dem Leser die urkundliche Gestalt wichtiger oder neu ge- fundener Sprachdenkmäler verschiedener Art in die Hand zu geben, und demselben durch einfache Umrisse von Denkmälern, Geräthen und Kunstwerken eine Anschauung von den Originalen zu bieten, die für das Verständniss meiner Erklärungen der auf denselben ge- schriebenen Inschriften entweder nothwendig, oder doch sehr förder- lich ist. Ich habe die Vorlegeblätter zu den Abbildungen selber angefertigt, meist nach den Originalen, seltener nach den besten Gopien derselben, da mir keine Künstlerhand für dieses Buch zu Gebote stand, sondern nur meine eigene Arbeit. Nur die Karte der Fundorte Etruskischer Inschriften im zweiten Bande verdanke ich dem Wohlwollen und der kunstgeübteu Hand von H. Kiepert.

XXVII

Ich bin Vielen zu Danke verpflichtet^ die mir zu den Vor- arbeiten für dieses Buch ihre hülfreiche Hand geboten haben, bewährten Freunden und neuen Bekannten, Landsleuten und Ausländern. Ich nahm die Hoffnung nach Italien mit, dass die Leiter und Mitglieder des Archäologischen Instituts zu Rom dem Werke, das ich vorhatte ihre Unterstützung leihen würden, und diese Hoffnung hat sich im reichsten Maasse erfüllt. Ich danke insbesondere den Italienischen Gelehrten, Vorstehern von Museen, Besitzern von Sammlungen und Leitern von Ausgrabungen, die mir, dem Fremdling, mit entgegen- kommender und hochsinniger Bereitwilligkeit sowohl auf meinen Wanderungen in Italien die Benutzung ihrer eigenen gesammelten Schätze gestattet, oder den Zutritt und die Arbeit an den Fundorten und Sammelstätten Etruskischer Inschriften und Alterthümer erlaubt und erleichtert haben, als auch nach dieser Zeit mein Werk gefördert haben durch Uebersendung von Abdrücken, Photographien und Zeich- nungen neu gefundener Inschriften bis auf den heutigen Tag.

Ich zweifle nicht, dass zu dieser Stunde bereits wieder neue Funde aus den Gräbern Etruriens hervorgegangen sind, die ich für diesen ersten Theil meiner Arbeit nicht mehr benutzen kann. Aber ich habe keine Zeit mehr zu warten, bis die letzte Etruskische In- schrift gefunden ist. Vitae summa brevis spem nos vetat incohare longam.

Lichterfelde bei Berlin, den 23. Juli 1874.

W. Corssen.

Inhalt.

I. Alphabet, Schrift und Inschriften der Etrusker S. 3

1. Ursprung des Etruskischen Alphabets . . .■ 3

2. Bezeichnung feinerer Lautunterschiede durch die EtrusSische Schrift 14

3. Veränderungen der Buchstabenformen 19

4. Verdrängung der Etruskischen Schrift 30

5. Abgekürzte Schreibweisen 32

Monogramme 33. Siglen 34. Ziffern 39.

6. Interpunction 42

7. Arten der Etruskischen Inschriften 46

8. Fälschung und Verderbniss Etruskischer Inschriften 48

II. Die Etrnskisch - Lateinischen Bilingnen nnd ähnliche Inschriften . . 51

Nominative Sing, fem^ auf -ä, -iä 53. Nom. Sing. fem. auf -i von Stämmen auf -iä 58. Nom. Sing. fem. auf -uiä, -ui 63. auf -aiä, -ai 68. Nom. Sing. masc. auf -ie von Stämmen auf -io 72. auf -1 von Stämmen auf -io 75. Nom. Sing. masc. fem. der Abstammungsnamen auf -äl von Stämmen auf -äli 84. Mutterstammnamen auf -äl 84. Vaterstamm- namen auf -äl 97. Nom. Sing. masc. auf -e von Stämmen auf -io 107. auf -ei von Stämmen auf -io 112. auf -e von Stämmen auf -o 113. auf -u von Stämmen auf -io 116. Diminutiva mit dem Suffix -Io, -Iä 119. mit dem Doppel- suffix -clo, -clä, -slo, -slä 128. Nom. Sing. masc. auf -i-s von Stämmen auf -io 131. auf -e-s von Stämmen auf -io 136. auf -ei-s von Stämmen auf -io 138. Nom. Sing. masc. auf von Stämmen auf 139. Beiwörter zur Bezeichnung von Zeitalter, Zeitfolge und Art der Geburt 146.

Ablative Sing. fem. auf -ä, -iä 169. auf -ie von Stämmen auf -iä 173. auf -i von Stämmen auf -iä 173. auf -ei von Stämmen auf -iä 175. auf -e von Stämmen auf -iä 177. Ablative Sing, auf -e von Stämmen anf -i 177.

Ehefraunamen auf -sä 178. auf -i-sä 180. auf -ali-sä 184. auf -e-sä, -e-sä, -ie-sä, -ate-sä 186. auf -ü-sä 192. auf -ä-sä und -i-ä-sä 196. auf -zä, -ssä 203. Frauennamen auf -s-iä, -s-ie, -s-i 205. auf -t-iä, -th-iä, -th-i, -tä, -thä 214.

Genitive Sing. fem. auf -ä-s, -iä-s von Stämmen auf -ä, -iä 217. auf -ie-s von Stämmen auf -iä 222. Gen. Sing. masc. auf -ä-s von Stämmen auf 224. Gen. Sing. masc. auf -u-s

XXIX

von Stämmen auf -o 227. auf -s von Stämmen auf -o 230.

Gen, Sing, auf -üs von consonantischen Stämmen 230. Gen.

Sing, auf -i-s, -e-s von Stämmen auf -i 234. Nominativ Sing. masc. auf von consonantischen Stämmen auf

-nn 235. Ergebnisse für Deklination und Wortbildung 239.

III. Erklärende Insckriften zu Bildwerken nnd Bildnissen 241

Nominative Sing, auf -ün, von consonantischen Stäm- men auf -ün 242. auf -mü von consonantischen Stämmen

auf -müu 251. Nom. Sing, von consonantischen Stämmen auf -an 252. von consonantischen Stämmen auf -tur, -ter, -thir 261. von consonantischen Stämmen auf -is 263. von con- sonantischen Stämmen auf -nt, -nth 268. Nominative Sins- von Stämmen auf -i 269. auf -äl von Stämmen auf -äli 270. auf ä-l-s von Stämmen auf -äli 277. auf -il, -il-s von Stämmen auf -ili 280. auf -il, -il-s von Stämmen auf -i-äli 292. auf -r von Stämmen auf -ri 293. Nom. Sing. auf -t, -th von Stämmen auf -ti 294. Nom. Sing, auf -äti, -äte 294. Nom. Sing, auf -th von femininen Stämmen auf -ti 299. auf -t, -th von masculinen Stämmen auf -ti 301. Nom. Sing. masc. auf -ä-s von Stämmen auf 303. auf von Stämmen auf 308. von Stämmen auf -o: Nom. Sing, masc, auf -ü-s 312. auf 319, auf -e 324, auf -s 328. Endung -ü-s des Nom. Sing, von Stämmen auf -o ganz geschwunden 331. von Stämmen auf -io Nominative Sing. masc. auf -iü-s 356. auf -iü 357. auf -u-s 358. auf -ie-s 359. auf -s 362. Nominative Sing. fem. auf -ä, -iä 365. auf -i von Stämmen auf -iä 377. auf -ei von Stämmen auf -iä 380. auf -e von Stämmen auf -iä 390.

Genitive Sing. masc. von Stämmen auf -io: auf -iüs 392, auf -ü-s 394. auf -e-s 395. Gen. Sing. masc. auf -e-s von Stämmen auf -o 397. Gen. Sing. masc. auf -i-s von Stämmen auf -io 399. auf -s von Stämmen auf -io 403.

Ergebnisse für Deklination und Lautgestaltung 406.

Darstellungen und Namen Etruskischer und Griechischer Gottheiten und ähnlicher Wesen 242. 244. 245. 246. 247. 248. 249. 250. 252, 253. 254. 255. 256. 257. 258. 259. 263. 272. 274. 280. 281. 296. 297. 299. 300. 302. 308. 311. 312. 313. 315. 324. 325. 327. 328. 338. 339. 340. 342. 343. 346. 351. 352. 354. 365. 367. 368. 370. 373. 374. 375. 376. 378. 379.

IV. Das Erbbegräbniss der Tarqninier von Caere 406

V. Weiheinschriften, Stiftnngs- nnd Schenkungsurkunden, Künstler- inschriften und verwandte Sprachdenkmäler 418

1. Inschriften mit Casusformen von Nominalstämmen . . 418

Nominative Plur. auf -e-s, -s von Stämmen auf -ä, -o 419.

auf -ei-s von Stämmen auf -i 419. auf :^ä-s, -e, -ei von

Stämmen auf 421. auf -ä-s voiT Stämmen auf 423. Genitive Sing, auf -ie-s von Stämmen auf -io 423. auf

-iei-s von Stämmen auf -io 432. auf -ei-s von Stämmen

auf -io 433.

XXX

Genitive Plur. auf -i-m, -i von Stämmen auf -io 435. auf -um, von Stämmen auf Consonanten und auf -i 437. auf -ü-sum von Stämmen auf -o 437. auf -am von Stämmen auf 439.

Accusative Sing, von Stämmen auf -o: auf -ü-m 443. auf -u 449. auf -m, -n 454. die Accusativendung -ü-m von Stämmen auf -o ganz geschwunden 456. Acc. Sing, auf -ä-n, von Stämmen auf 474. auf -a-m, -a-n, -a von Stämmen auf 475. ^ auf -ie-m von Stämmen auf -iä 485. auf -e-m, -i, -e, -n von Stämmen auf -i 488. Acc. Sing, neutraler Stämme auf -i 491. Acc. Sing, auf -e, -i von consonantisclien Stämmen 492. Acc. Sing, neutraler consonantischer Stämme mit dem Stammsuffix -er, -es, -as 495. Acc. Sing, auf -iü-n, -i von Stämmen auf -io 494. 502. Uebersicht der Endungsformen des Accusativ Sing. 504.

Accusative Pluralis auf -ä-s von Stämmen auf 505. auf -a von neutralen Stämmen auf -o 507. auf -e-s, -s von Stämmen auf -i 508. auf -ez von consonantisclien Stämmen 510. auf -s von Stämmen auf -o 512.

Dative Singularis auf -ae, -e, von Stämmen auf 512.

auf -1 von Stämmen auf -o 518. auf -iü, -ie, -ii, -ei von Stämmen auf -io 518. auf -i von Stämmen auf -i 518.

Dative Pluralis auf -ä-s von Stämmen auf 518. Locative Singularis fem. auf -ai, -e von Stämmen auf

518. Loc. Sing. masc. auf -i, -e von Stämmen auf -o 520. Etruskische Benennungen für Grab, Einrichtungen und

Geräth des Grabes 520.

Inschriften mit Verbalformen 521

Praesens. 1. Pers. Sing. Ind. Praes. sum, sim 521. 3. Pers.

Sing. Ind. Praes. der Conjugation auf -e: leine, line,

siste 522. der Conjugation auf -ä: cisa 526. Imperativ. 2. Pers. Sing, der Conjugation auf -e: arse 527. Perfectum. Redupliciertes Perfectum auf -i. 3. Pers.

Sing. Ind. tetet 529. tez 531. Einfaches Perfectum auf -i. 3. Pers. Sing. Ind. sece, festh

533. thui 539. 3. Pers. Plur. Ind. thuns, thunz 552. Zusammengesetztes Perfectum auf -i (-fu-i). 3. Pers. Sing.

Ind. der Conjugation auf -i: suthith, suthith, suthi,

suthi, suti 556. der Conjugation auf -ä: municlet,

municleth, munisvleth, munisureth 606. Zusammengesetztes Perfectum auf -s-i. 3. Pers. Sing. Ind.

pecse 613. thenst 618.

Perfectum mit Stammerweiterung auf -c-i. 3. Pers. Sing. Ind. turuce, turce, turke, turct 622. lupuce 646. zilachnuce, zilachnce, zilachce, zilace, zilchnce 663.

aperuce 688. ichuche 692. -- talce 694. amce 097. - canthce 709. tece 712. rithce 719. svalce 741. makrake 745. farthnache 745. farce 750. Erzählendes Perfectum der Etruskischen Sprache 753.

XXXI

Ergebnisse für Kunst, Handwerk und Industrie der Etrusker 722. Bronzebearbeitung und Toreutik 722. Bildhauerkunst und Steinhauerarbeit 726. Bau- kunst 732. Malerei 734. Töpferkunst und Thon- bildnerei 735.

"■- 3. Inschriften mit Pronominalformen 755

Vom Stamme des Personalpronomens erster Person ma-,

Acc. Sing, mi 755. Von demonstrativen Pronominalstämmen: vom Pro- nominalstamm i-: Acc. Sing. masc. in, Acc. Sing, neutr. it, ith, eth, Acc. Sing. fem. iiam, Abi. Sing. masc. neutr. eu, ev, Ortsadverbium eithi, eit, Conjunction ein, ain 793. vom Pronominalstamm eco-: Acc. Sing, masc, neutr. ecn,

Acc. Sing. fem. ecan, eca 797. vom Pronominalstamm co-: Acc. Sing. fem. ca, Loc. Sing, masc. ci, Ortsadverbium eis, enklitische Partikel -ce, -c 800. vom Pronominalstamm ho-: Acc. Sing, neutr. hut, huth, Acc. Sing. fem. ha, Loc. Sing. masc. hi, Ortsadverbium huths, Loc. Sing. masc. hece, Ortsadverbium cehen, cen, Con- junction hen 802. Würfel mit Künstlerinschriften, nicht mit Zahlwörtern 803. vom Pro nominal stamm to-: Acc. Sing. fem. ta, Loc. Sing.

masc. ti 811. vom Pronominalstamm esto-: Acc. Sing. fem. estam 812. vom Pronominalstamm so-: Acc. Sing. fem. sa, Acc. Plur.

fem. sas 812. vom Pronominalstamm eso-: Acc. Sing, neutr. esethce 813. vom Pronominalstamm ero-: Loc. Sing. masc. eri 814. vom Pronominalstamm ana-: Pronominaladverbien anb- aue, ank, ankn, ancn 814.

VL Grriechische Wörter in Etrnskischen Sprachdenkmälern 816

Nominative Sing, auf -cov 816. auf -äv, -rjv 822. auf -tcoQ 822. auf I, ip 822. auf -Lg 823. auf -ccg 824. auf -rjg 825. auf -ä, -rj 828. auf -og 833. auf -aog 838. auf -log 839. auf -svg 839. Genitive 841. Accusative 843. Dative 845. Etruskische Weiter- bildungen Griechischer Wörter 846. Namen von Per- sonen Phoenikischen und Punischen Ursprungs 854. Zeitalter der Aufnahme Griechischer Wörter in die Etrus- kische Sprache und ältester Verkehr zwischen Etruskern und Griechen 856.

VII. Münzanfschriften 862

VIII. Die grosse Grabnrkunde des Cippns von Perngia 881

IX. Etruskische Sprachdenkmäler in Umbrien, Oberitalien nnd Rätien . 909 in Umbrien 909. in Gallien südlich vom Po 915. in Li-- gurien 918. in Rätien: im Val di Cembra 919. im Thale Nonsberg und Val di Non 928.— im'Etschthal bei Botzen 937. im Valtellin 939. im Tessin 942. Rä- tisch - Etruskische Sprache 950. Campanisch - Etrus- kische Sprache 952.

XXXII

Anhang 955

I. Neue inschriftliche Funde 955

1. Gräber bei Chiusi 955. i?. Grab von Palazzo Bandino bei Chianciano unweit Chiusi 973. 3. Etruskisch- Römisches Grab bei Chianciano 976. 4. Grabstätte Castiglione del Lage am Trasimenischen See 979. 5. Wandinschrifteu eines Grabes auf dem Montarozzi bei Corneto 981.

II. Aeltere inschriftliche Funde 982

1. Sarkophage von Viterbo (1492 1503) 982. 2. Nekropole Pian della Colonna bei Bomarzo (1830 1832) 985. 3. Grotta Marzi auf dem Montarozzi bei Corneto (1830) 989. 4. Grab von Chiusi (1827) 992. 5. Bilingue von Chiusi 994. 6. Aschenkisten von Cortona und Volterra 995. 7. Neuerworbene Thongefässe des Antiquariums zu Berlin 997. 8. Bronzen mit Weiheinschriften aus dem Gebiet von Volsinii 1003. 9. Neuerworbene Bronzen und Aschen- kisten des Britischen Museums 1005.

Berichtigungen und Nachträge 1010

Verzeichniss der Abbildungen. I. Lithographische Tafeln.

III. Schrifttafelu der Etruskischen Alphabete S. 13

IV, 1. 2. 3. 4. Grabsäulen von Perugia mit Inschriften im Museum

zu Neapel 97

V, 1. 2. 3. Aschentöpfe von Chiusi mit Inschriften im Museum zu

Palermo 173

VI. Bronzespiegel von Vit erb o mit Bild des tanzenden Satyrn Chel-

phun und der Göttin Munthuch 244

VII. Bild der Göttinnen Menerva und Lasa Vecu auf einem Bronze- spiegel unbekannten Fundortes 246

VIII. Wandgemälde eines Grabes am Ponte de IIa Badia bei der Ne- kropole von Vulci, jetzt in einer Sammlung des Fürsten Torlo- nia zu Rom: die Opferung der gefangenen Trojaner am Scheiter- haufen des Patroklos durch Achilleus mit beigeschriebenen

Namen der handelnden Personen 278

IX, Bild des durstigen Herakles an der Quelle mit dem Löwenmaule auf einem Spiegel unbekannten Fundortes im Antiquarium zu Ber- lin mit Inschrift 325

X, 1. 2. 3. 4. Weiheinschriften auf vier Bronzegefässen von Volsinii

im Vatican 360

XL Bild der Etruskischen Göttin Asira unter den Thebanischen Helden Eteokles, Polyneikes und Amphiaraos auf einem Bronze- spiegel der Sammlung Janze zu Paris 368

XII. Reliefbild eines kolossalen Marmorsarkophags von Chiusi, jetzt im Säulengange des Museums zu Palermo^, darstellend den Lebens- abschied der Clusinerin Frau Tita Afunei von ihren Verwandten mit den Gestalten dreier Etruskischer Todes - und Schicksalsgöttinnen und beigeschriebenen Namen aller abgebildeten Personen .... 381 XIIL Grabschriften im Erbbegräbniss der Tarquinier von Caere auf

der Banditaccia bei Cervetri 408

XIV, 1. 2. 3. 4. Thongefässe mit Weiheinschriften. 1. Schwarz gefirnisste Schaale von Nola im Museum zu NeapeL 2. desgleichen. 3. Schaale von Nola im Antiquarium zu Berlin. 4. desgleichen 425 XV, 1. Schwarze thönerne Giesskanne von Capua imMjiseum zu Neapel mit Weiheinschrift. 2. Schwarzer thönei-ner Becher von Caere, Preisgefäss für einen Sieger im Wettkampf, mit Weiheinschrift, im Vatican 443

CoKssEN, Etruskische Sprachdenkmäler. C

XXXIV

XVI, 1. Künstlerinschrift in der Grotta delle camere finte auf dem ' Montarozzi bei Corneto. 2, a. b. Doppelte Widmungsinschrift

auf dem Sarkophag eines Grabes von Corneto im Hause Marzi. _ 3. Weiheinschrift auf dem Randstück eines Sarkophags von weissem Marmor in der Kirche S. Maria in Castello zu Cor- neto. - 4. Weiheinschrift, Grabschrift und Künstlerinschrift auf dem alabasternen Sarkophag von Corneto mit den Gemälden der Amazonenkämpfe. 5. Gemalte Weiheinschrift auf einer Wand der Tomba delT orco bei Corneto. 6. Schwarz ge- firnisste Thonschaale von Nola mit Weiheinschrift im Antiquarium zu Berlin ^^^

XVII, 1. Widmungsinschrift auf dem Deckel eines Sarkophags vonPoggio delCastelluccio bei Corneto. 2. Weiheinschrift und Künstler- inschrift eines bronzenen Candelabers von Vulci in der Sammlung Valeri zu Toscanella. 3. Weiheinschrift auf dem Fries eines Grabhäuschens von Vulci im Vatican. 4. Widmungsinschrift

der Grabsäule einer Etruskischen ISTekropole vOn Bologna . . . 558 XVIII, 1. Toreuteninschrift auf der Base einer kleinen weiblichen Bronze- fignr unbekannten Fundortes im Vatican. 2. Toreuteninschrift auf dem Schenkel einer kleinen männlichen Bronzefigur von alt- etruskischer Arbeit in priesterlicher Tracht im Vatican. 3. Auf- gemalte Künstlerinschrift auf einer Wand der Tomba delT orco bei Corneto 634

XIX, 1. 2, Ausführliche Grabschriften zweier Sarkophage von Vulci zu

Castel Musignano . 663

XIX, B, 1. Torso eines Stieres von Bucchero mit Weiheinschrift von Chiusi im städtischen Museum daselbst. 2. Inschrift eines Töpfer- stempels von Chiusi daselbst. 3. Schaale von gebranntem Thon mit Weiheinschrift ebenda. 4. Sarkophaginschrift von Corneto. 5. Gemaltes Bild der Schicksalsgöttin Lasa, eine Grabschrift in Diptycha schreibend, auf einer Wand der Tomba degli scudi

bei Corneto 737

XX, 1. Weiheinschrift und Künstlerinschrift einer schwarzen Thonschaale von Bieda bei Paolo Palumbi zu Rom. 2. Weiheinschrift eines zweihenkeligen thönernen Aschentopfes unbekannten Fund- ortes im Vatican. 3. Weiheinschrift eines Thongefässes von Vulci in der Vasensammlung zu München. 4. Thönerner Guttus mit Inschrift des Töpferstempels aus der Gegend von Or- vieto im Antiquarium zu Berlin. 5. Inschrift auf dem Henkel eines dem Gotte Fuflunus geweihten Trinkgefässes von Thon im Britischen Museum zu London. 6. Inschrift eines dem Fuflu- nus geweihten Trinkgefässes in der Vasensammlung zu München . 760

XXI, 1. Gegossene Kupfermünze von Volaterrae mit Stadtnamen.

2. Geprägte Kupfermünze von Populonia mit Stadtnamen.

3. Goldmünze von Volci mit Stadtnamen. 4. Goldmünze von Volsinii mit Namen der Stadt und des Münzbeamten. 5. Silber- münze einer unbekannten Stadt mit der Aufschrift Thels. 6. Geprägte Kupfermünze von Vetulonia mit Namen der Stadt und des Münzbeamten. 7. Geprägte Kupfermünze einer un- bekannten Stadt mit der Aufschrift Peithesa 863

XXXV

XXII. Der Cippus von Perugia mit der grossen Graburkunde .... 882 XXIII, 1. Bronzener Eimer von Val di Cembra mit Rätisch-Etrus- kischer Weiheinschrift. 2. Grosser Bronzeschlüssel von Dambel mit Rätisch-Etruskischer Weiheinschrift, beide

im Museum zu Trient 919

XXIII, B, 1. 2. 3, a. b. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Campanisch-Etruskische und Etrurisch-Etruskische Thongefässe im Antiquarium zu Berlin mit eingeritzten und aufgemalten Weiheinschriften 997

II. Holzschnitte im Text.

Titelbild: Aschenkiste von Perugia im Museum daselbst.

1. Aschentopf von Chiusi im Museum zu Palermo S. 55

2. Schaale von Nola im Museum zu Neapel 56

3. Inschrift des Erbbegräbnisses der Tarquinier von Caere . . . . 68

4. Inschrift eines Sarkophags aus der Cucumella der Nekropole von Vulci bei Valentini zu Canino 70

5. Inschrift eines Aschentopfes von Chiusi im Museum zu Palermo . 74

6. Aschenkiste von Chiusi mit Etruskisch- Lateinischer Bilingue im Mu- seum zu Neapel 76

7. Inschrift eines Bronzegefässes imMuseoKircherianozuRom . . 103

8. Sarkophaginschrift von Arie na bei Piansano im Binnenlande Süd- etruriens 105

9. Aschentopf von Chiusi im Museum zu Palermo 109

10. Bemalter Aschentopf von Chiusi im Museum zu Palermo . . . . 112

11. Bemalter Aschentopf von Chiusi im Museum zu Palermo .... 142

12. Schwarze Thonschaale im Vatican 219

13. Grenzstein von Luna mit Inschrift im Athenäum zu Genua . . . 230

14. Bild der Göttin Alp an auf einem Bronzespiegel im Museum zu Peters- burg 256

15. Bild der Göttin Mean auf einem Bronzespiegel im Museum zu Pe- tersburg 258

16. Inschrift eines Töpferstempels auf dem Henkel einer Thonlampe Arre- tinischer Fabrik von Vulci in der Sammlung Valeri zu Toscanella 282

17. Base einer Grabsäule in der Delegazione della polizia zu Civita vecchia mit Inschrift 307

18. Bild des Satyrknaben Hathna auf einem Bronzespiegel des Museums

zu Petersburg 311

19. Griff einer bronzenen Striegel mit der Stempelinschrift einer Etrurischen Bronzefabrik im Antiquarium zu Berlin .... 318

20. Bild der Göttin Munthch auf einem Bronzespiegel des Museums zu Petersburg 338

21. Bild des Gottes Achvistr auf einem Bronzespiegel des Museums zu Petersburg 354

22. Base einer Grabsäule mit Inschrift zu Viterbo im Hause Bazzichelli 360

23. Bild der Göttin Altria auf einem Bronzespiegel von ^Chiusi . . . 376

24. Aschentopf von Chiusi im Museum zu Palermo 395

25. Grabsäule von Perugia mit Base und Inschrift im Museum zu Neapel r 401

XXXVI

26. Weiheinschrift einer schwarzen Schaale aus der Gegend von Capua

im Museum zu Neapel 453

27. Schaale von Nola mit Weiheinschrift im Museum zu Neapel . . 475

28. Schwarz gefirnisste Schaale von Nola mit Weiheinschrift im Antiqua- rium zu Berlin 526

29. Bild der Anfertigung des Trojanischen Pferdes durch Epeios mit Beihülfe des Hephaistos auf einem Bronzespiegel zu Paris mit Etruskischer Erzählung des Hergangs. 613

30. Weiheinschrift und Grabschrift eines grossen doppelhenkeligen Aschen- topfes von gebranntem Thon im Vatican 719

31. Inschrift eines Bronzespiegels von Vulci im Yatican: Etruskische Erzählung der Tödtung des Hektor durch Achilleus neben

der Gestalt des letzteren auf einem Viergespann 751

32. Bronzestatue eines Kriegers von San Zeno im Val di Non mit Rä- tisch-Etruskischer Weiheinschrift auf der Base im Besitz des Herrn D. Zanella zu Trient 934

33. Hals eines Bronzegefässes von Greifenstein im Etschthale bei Botzen im Antiquarium zu Berlin mit Rätisch-Etruskischer Weiheinschrift 937

34. Grabstein von Tresivio bei Sondrio im Valtellin mit Rätisch- Etruskischer Grabschrift 940

ERSTER THEIL.

ERKLAERUNG VON SPRACHDENKMAELERN.

COKSSEN, EtriTskischc Sprachdenkmäler,

I. Alphabet, Schrift und Inschriften der Etrusker.

1. Ursprung des Etruskischen Alphabets.

Nach den ersten Versuchen die Schrift der Etrusker zu lesen § 1. die schon im fünfzehnten Jahrhundert seit Giambulari's Zeit began- nen, haben in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Bourguet, Gori, M äff ei und andere die Geltung der Etruskischen Buchstaben festzustellen versucht; insbesondere hat Bourguet durch die Ent- deckung, dass ein Stück der Tafeln von Iguvium in Umbrischer und in Lateinischer Schrift vorhanden sei, den ersten festen Untergrund zu diesen Untersuchungen gelegt (Gori, Stör, antiq. Etr. p. 139 f. t IX, n. 1. 2. Maffei, Osserv. lett. V, 323). Lanzi gab zu diesen Be- stimmungen der Etruskischen Buchstaben Verbesserungen, erkannte namentlich das Schriftzeichen tA als s' und wies die Grundlosigkeit der Behauptung Guarnacci's nach, dass das Etruskische Alphabet unmittelbar aus dem Orient nach Italien übertragen sei; aber er unter- scheidet die Umbrische Schrift und Sprache noch nicht streng von der Etruskischen und behält irrige Ansichten über die Geltung einiger Buchstaben bei (Sagg. d. ling. Etnisc. I, p. 136 f. 144 f. 160 f. ed. 2.). 0. Müller stimmt der Ansicht Lanzi's zu, dass die Etrusker ihr " Alphabet erst durch Vermittelung der Griechen aus dem Orient erhiel- ten (Etmslv. II, 290 f. 309), und spricht eine im Wesentlichen rich- tige Ansicht aus über das Zeitalter der meisten uns vorliegenden Etruskischen Inschriften, ohne dafür einen strengen Beweis zu führen (a. 0. 114). Aber über die Geltung der Buchstaben O und + irrt auch er mit seinen Vorgängern (a. 0. 299. 308). Allen diesen Arbeiten über die Schrift der Etrusker fehlte zweierlei, einmal eine breite und feste Grundlage zahlreicher und richtig überlieferter Inschriften, und zweitens eine* streng wissenschaftliche Methode der paläographischen Untersuchung. _

Es ist das Verdienst von R. Lepsius, diese beiden wichtigen Mittel der Forschung auf dem Gebiete der Italischen Schriftkunde und Sprachwissenschaft -zur Geltung gebracht zu haben, sowohl durch

-^ 4

(lio HerstfUuiiö; der ersten zuverlässigen Texte Italischer Spraclidenk- mäler, insbesondere der ausfülirlichsten Originalurkunden, die bisher aus dem Boden ItaHens hervorgegangen sind, der Tafeln von Iguvium, als auch durch seine Untersuchungen über die Alphabete und die Paläographie der Italischen Yolksstämme (De tabidis Ewjuhinis, p. 21 f. 4S f. 73 f. Ueher die Anordnung und Venvandfschaft des Semi- fiselien, Indisclien u. s. iv. Alphabets, S. 8 f. 17 f. 23 f. Inscript Umhr. et Ose. Comment. p. 1 f. 136 f. 148 f. Tab. I'f. XXXI. Ännal d. Inst a. 1836, p. 164 f. 186 f. tav. d. ogg. B, 1). Erst durch diese For- schungen ist die Geltunf]!: der Etruskischen Buchstaben, auch des 0 als h und des + als z, vollkommen sicher gestellt worden. Noch blieb die Frage zu beantworten, in welcher Weise die Ueber- traguno; der Buchstabenschrift von den Griechen zu den Italischen Stämmen stattgefimden habe^ insbesondere, ob alle Italischen Alphabete von einem Griechischen Mutteralphabet ausgegan- gen seien, oder von mehreren, und welcher Gruppe der Griechischen Alphabete jene angehörten. Diese Frage hat Th. Moni ms en in allen wesentlichen Pmikten gelöst durch seine werthvollen Untersuchungen über die Geschichte der Italischen Alphabete (ünterital. Dial. S. 1 40. 313 316. 330 332. Die NordetrusJciscJien Alplidbete auf Inschriften und Münzen. 2Iittheil. d. Antiquar. Gesellsch. in Zürich, VII, 199 f., 222 f. 3Io7iatsber. d. Ahid. d. Wiss. z. Berlin 1860. S. 451 f.). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind zwar seitdem im Einzelnen genauer bestimmt, ergänzt oder berichtigt worden durch A. Kircli- hoff (Studien zur Geschichte des Griechischen Alphabets, S: 115 129), haben sich aber in allen ihren wesentlichen Theilen als stichhaltig und wohlbegründet erwiesen. Unzweifelhaft richtig hat Kirchhoff nachgewiesen, dass man das Westgriechische Mutteralphabet der Ita-, lischen Alphabete nicht ein Dorisches zu nennen berechtigt sei (a. 0. 115 f)-^ aber diese Berichtigung der Benennung ändert nichts ;ni den sachlichen Hauptergebnissen von Mommsen's Forschungen.

Die Beweisführung derselben findet ihren Ausgangspunkt und wirksamsten Hebel in den Griechischen und Etruskischen Alpha- beten, die sich in den Gräbern Etruriens und Campaniens gefunden haben, deren Uebereinstimmung einerseits mit den Buch- staben der Itahschen Inschriften, andrerseits mit den Alphabeten Grossgi'iechenlands nachgewiesen wird. So wird das Eigebniss gewon- nen, dass die Italischen Alphabete, in zwei Hauptgruppen gesondert, von einem und demselben WestgriechischenMutter- alphabet ausgegangen sind, von dem auch das Alphabet der Campanischen Griechen von Cumae herstammt, der ältesten aller Hellenischen Niederlassungen auf dem Boden Italiens und Siciliens,

n

deren Eiiilluss iiut* die Culturentwickeluug Italischer Stämme durch alte sagenhafte und geschichtliche Ueberlieferungen bezeugt ist.

Die Hau23tpunkte dieser Beweisl'ülirung lege ich hier in so weit vor, als sie für die Geschichte der Etruskischen Schrift die Grund- lage und den Anfangspunkt bieten.

Im Jahre 1690 wurde bei Colle unweit Sie na ein Grab auf- gedeckt^ auf dessen Wänden neben Etruskischen Grabschriften sich ein Griechisches Alphabet aufgemalt fand, von dem jedoch nur noch die Buchstaben von A bis O lesbar waren (Schifttaf. I, 5) und das Bruchstück eines Etruskischen von rechts nach links geschrie- benen Syllabariums, von dem noch die Silbengruppe ma, mi, me, mu aus der fehlerhaften auf uns gekommenen Abschrift kenntlich ist. Wir kennen alle diese Inschriften nur noch aus den Abbildumren bei Bellori (L'anüche pitfure. Append. t. XI, p. 203. Fahr, C. I. IM. t. XXVIII, 449. 451). Da in der angeführten Silbengruppe der Vokal o niclit vorkommt, so wenig wie in den Inschriften Etruriens, so ist das Syllabarium jedenfalls Etruskisch, nicht Griechisch. Solche Sylla- barien sind Anleitungen zum Buchstabieren, die bei den Etruskern ohne Zweifel zum Leseunterricht verwandt Avurden wie bei uns.

In der Mitte der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts fand der General Galassi in einem Grabe von Caere, aber nicht in dem berühmten Grabe, aus dem der reiche Goldschmuck des Vatican stammt, unter anderen Gefässen mit Etruskischen Inschriften eine schwarze Thonflasche, um deren unteren Rand ein alt griechisches Alphabet eingekratzt ist, und um die Wölbung oberhalb desselben ein Etruskisches Syllabarium von dreizehn Silbengruppen, von links nach rechts geschrieben im Ganzen nach der Reihenfolge der Consonanten im Alphabet, aber mit anderer Reihenfolge der den Con- sonanten nachgesetzten Vokale, wie das Syllabarium zu Colle, nämlich :

ci, ca, cu, ce,

vi, va, vu, ve,

zi, za, zu, ze, (Lejjs. Ann. d. Inst a. löSGj p. 187 f. Montnis. Unterit. Bial. S. 8 f., 14 /: Kucldioff] Skid. z. Gesch. d. Griccli. Älphah. S. 120 f. Fabr. C. I. Ital. t XLIII, 2405). Ich habe von dem Alphabet und dem Sylla- barium des merkwürdigen Gefässes, das sich jetzt im Etruskischen Museum des Vatican befindet, am 17. Mai 1870 eine Zeichnung auf- genommen, nach der die Buchstabenformen auf der ersten Schrifttafel (T. I, S. 4) gegeben sind. Die Schrift desselben ist zwar alterthümlich, aber so nachlässig wie nur irgend eine ^raffitinschrift auf einem Etruskischen Thongefäss, besonders in dem Syllabarium, wo der Schreiber mehrfach den Platz für die einzelnen Silbengruppen niclii

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richtig berechnet, übel gerathene Striche von Buchstaben durch Neben- striche verbessert, Buchstaben ausgelassen hat, ohne es gewahr zu werden, andere, deren Auslassung er bemerkte, unter die Zeile nach- fi-etragen hat. Nichts desto weniger sind diese Inschriften für die Geschichte der Itahschen Alphabete von hervorragender Wichtigkeit, und ich werde auf dieselben noch weiter unten wieder zurückkommen. Die in den Gräbern von Etrurien und Campanien gefundenen Etruskischen Alphabete sind folgende:

In einem Grabe der Nekropole della Colonna bei Bomarzo wurde in der Mitte der vierziger Jahre bei den Ausgrabungen des Fürsten Borghese ein kleiner Becher von gewöhnlichem Thonzeug gefunden, auf dem ein Etruskisches Alphabet eingeritzt ist (Orioli, Alhimi di Roma XX, 168. Conestahüe, Spicilegmm de quelqu. monum. d. Etr. p. 17. Fabr. C. I. Ital XLIII, 2436, a. h. c. Momms., Unterit Bial. S. 8 f. 6 f. 16. T. I, 18. Noel des Vergers, VEtrurie et les Eiriisques FL XL. Brunn, Fröbleme der Gesch. d. Vasenmalerei, ÄhJi. d. h Bayer. Ah d. W. L Cl. XIT. Bd. IL ÄhtJi. S. 18). Da ich dieses Gefäss in Italien nirgends aufgefunden habe, so gebe ich die Buchstaben desselben nach der Zeichnung von Brunn.

Zwei andere Etruskische Alphabete finden sich unter dem Rande zweier Etruskischen Schaalen von Nola, aus jenem auffal- lend leichten röthlichen Thon mit dem glänzend schwarzen Firniss, durch den sich die Gefässe dieses Fundortes auszeichnen (Leps. Lnscr. ümhr. et Ose. T. XXVI, 88. 84. Momms. ünterital. Bial. S. 6 f. T. L, 14. 15. Fahr. C. I. Ital. T. XLIX, 2766. 2767). Ich habe von den Alphabeten der beiden Schaalen im Museum von Neapel (Invent. n. 1827. 1828) am 11. und 13. Juni 1870 Zeichnungen genommen, nach denen ich die Buchstabenformen wiedergebe (Schrifttaf. L 9, a. h.). Das erste derselben, in den schwarzen Firniss unter dem Rande der Schaale rings um den Fuss derselben mit dem Spitzgriffel eingeritzt, giebt die Etruskischen Buchstaben vollständig, nur dass es statt >l das Zeichen ) hat und daneben das Zeichen X auch an der Stelle des Griechischen Gamma beibehält. Die kreuzförmigen Striche des N = h und das verdorbene Schriftzeichen nach s', dem das richtige Zeichen für r folgt, sind Schreibfehler, wie sie sich auch auf dem Gefässe von Caere finden. Das Alphabet der zweiten Schaale, in den schwarzen Firniss des Randes halbkreisförmig eingekratzt, ist ein ganz nach- lässiges Machwerk; denn es lässt die Buchstaben für h, r, t ganz aus, hat statt M = s' ein =f = z, statt <|> = ph ein F = v, obwohl es diese Buchstaben schon an den ihnen zukommenden Stellen ver- zeichnet hat, und giebt eine Form des u: s|, die sich von dem Schriffc- zeichen für 1 nicht im mindesten unterscheidet. Hätten wir nicht die

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oben angeführten beiden Etruskischen Alphabete, so könnte dieses zu ganz falschen Schlussfolgerungen führen; neben denselben ist es werthlos, zumal da es, wie seine Buchstabenformen zeigen, späteren Ursprungs ist als das auf der zuerst genannten Nolanischen Schaale. In neuster Zeit sind in zwei an einander stossenden Gräbern der Yigna Grande bei Chiusi zwei Tufsteine gefunden worden, auf denen Alphabete mit dem Spitzmeissel eingegraben sind, wahr- scheinlich einst zur Base irgend eines Grabdenkmals gehörig, jetzt im neuen Museum von Chiusi aufbewahrt (Gamiirriniy Ann. d. Inst. 1871, p. 156 166. Tav. dl agg. L. Fahretti, Primo siipx^lemcnto alla raccolta delle anticliiss. iscrk. Ital. 1872, p. 26 f. Mommsen, Ephem. epigr. 1872. IX, p. 220 f.). Auf dem ersten dieser Steine sind zwei unvollständige Etruskische Alphabete unter einander geschrieben. Das obere nimmt den Hauptplatz des Steines ein und besteht aus den Buchstaben: a, e, v, z, h, th, i, k, 1, m, n, p, ph, r, t, die nach rechts gewandt sind mit Ausnahme des \| = 1, das nach links gewandt ist. Die Buchstaben sind zu Anfang der Zeile gross und weit aus einander stehend, verkleinern sich aber immer mehr gegen Ende der Zeile und rücken näher an einander, da der Schreiber gewahr wurde, dass für ein vollständiges Alphabet mit so gi'ossen Buchstaben, wie die ersten der Zeile sind, der Raum des Steines nicht ausreichen würde. Und da derselbe auch trotz der Verkleinerung der Buchstaben nicht ausreichte, so brach er bei t ab. In diesem Alphabet fehlen ausser den Buchstaben nach t die Schriftzeichen < = c, AA = s und ^ = s, und das ^ = ph ist falsch an die Stelle des M = s gesetzt. Das Alphabet ist also unvollständig und fehlerhaft wie das Alphabet der einen Schaale von Nola (Schrifttaf. I, 9, h). Unter demselben ist auf dem Tufstein von Chiusi ein zweites Alphabet mit kleineren Buchstaben geschrieben, von dem die ersten Buchstaben von a bis- i bis auf unkenntliche Reste zerstört, und nur folgende erhalten sind: k, 1, m, n, p, s, r, t, ph, u, ch, f, alle nach rechts gewandt und von gleicher Grösse. Dass dieses Alphabet nach dem darüber stehenden geschrieben ist, leuchtet ein. Da aber die Buchstabenformen im Wesentlichen dieselben sind wie die des ersten, man müsste denn der Abrundung des einen Bügels des ph in dem zweiten (Schrifttaf. I, 12) eine hohe Bedeutung beilegen, so kann ein grosser Zeitraum zwischen der Abfassung beider Alphabete nicht gelegen haben. Das untere ist vielmehr von demselben Schreiber oder von einem Zeitgenossen desselben hinzugefügt worden zur Vervollständigung und Berichtigung des oberen. Auch hier fehlen die*" Buchstaben < = c und ^ = s, wohl weil sie der Schreiber neben dem K == k und dem ^ = s für entbehrliche Schriftzeichen hielt, und der Buchstabe ^

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= ph steht am falschen Platze vor dem V = u statt nach demselben wie in dem Alphabet von Bomarzo, auf einer Nolanischen Vase {Schrift- faf. I, 9, a) nnd in den Griechischen Alphabeten. Auch dieses Alphabet ist also nicht vollständig und nicht fehlerfrei.

Auf dem zweiten Tufsteine von Chiusi ist ein i\.lphabet ein- gegraben, von dem die Buchstaben a, e, v, z, h, th, i, k, 1, m, n, p und der erste Grundstrich eines /V\ = s erhalten sind. Die Buch- staben desselben sind zu Anfang der Zeile gross, verkleinern sich aber immer mehr gegen Ende derselben aus demselben Grunde wie die des zuerst angefüln'ten Alphabets. Auch diesem dritten Alphabet von Chiusi fehlt der Buchstabe < = c, wahrscheinlich auch ^ = s wie den beiden anderen. Es kann nicht vollständig gewesen sein, da nach dem M = s die Buchstaben r, s, t, u, ph, ch, f auf dem Steine nicht Platz hatten. Vor dem a dieses Alphabets ist ein ph geschrieben, und vor diesem ist noch ein Grundstrich sichtbar, wahr- scheinlich der Rest eines t. Diese Buchstaben sind vielleicht der Schluss eines vierten Alphabets von Chiusi.

Keines der Alphabete von Chiusi ist also vollständig und fehler- frei. Die Buchstabenformen derselben sind alterthümlich scharfeckisr und spitzwinklig bis auf das schon abgerundete D = r. Aber keine derselben ist alterthümlicher als die Buchstaben des älteren Alphabets von Nola (Schrifttaf. I, i), a) und des Syllabariums von Caere. Hin- gegen enthält das erstere die sehr alte Buchstabenform ^ = th, für welche die Alphabete von Chiusi die jüngere Form (^ haben; das Syllabarium von Caere aber weist vier alterthümliche und frühzeitig abgekommene Buchstabenformen auf: ^ = th, M = m, M = n 9 = f, für Avelche sich in den Alphabeten von Chiusi die jüngeren Formen <3> == th, [^ = m, K = n, ^ = f iinden. Also sind die Alphabete von Chiusi jüngeren Ursprungs als die beiden genannten.' Aus der Richtung ihrer Buchstaben nach rechts folgt weiter nichts, als dass sie das Muster eines Griechischen Alphabets nachahmten, wie das Etruskische Syllabarium von Caere mit seinen nach 'rechts gewandten Buchstaben über dem Griechischen Alphabete von Caere auf demselben Gefässe, sicherhch nicht, dass die Etrusker in der ältesten Zeit ausschhesslich oder auch nur vorwiegend von links nach rechts schrieben (v(jl Fabretü, Frinio siipplem. cL a. iscr. It. p. 27). Da die Etruskische Sprache, als das Griechische Alphabet nach Etrurien gelangte, den Vokal u besass wie alle verwandten Sprachen, so ist es undenkbar, dass die Etrusker nicht von Anfang an auch das Griechische Schriftzeichen V, Y für denselben aufgenommen haben sollten wie die üiiker, Sabeller, Umbrer, Fahsker und Römer. Es kami also auch kein primitives Etruskisches Alphabet gegeben haben,

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das nur aus sechzehn Buchstaben bestandeji und die Schriftzeicheii ^7 ^} V, \|/, S gar nicht gekannt hätte. Wesentlich neue Aul- schlüsse für die Geschichte des Etruskischen Alphabets sind also aus den Alphabeten von Chiusi nicht zu gewinnen. Dass sie unvollständig und fehlerhaft sind, ist erklärlich, da sie nicht zur Unterweisung im Schreiben dienten, sondern nur eine Art epigraphischer Verzierung eines Grabmals waren, die durch den verfügbaren Raum des Steines bedingt war.

Das Griechische Alphabet von Caere hat mit dem Alphabet der g 3. Chalkidischen Colonien in Sicilien und Italien, also auch mit dem- jenigen der Campanischen Griechen von Neapolis und Camae den Buchstaben X in der Geltung von x und Y in der Geltung von x == eil gemein. Vom Griechischen Alphabet von Colle sind uns diese Buchstaben nicht erhalten. Die beiden Griechischen Alphabete von Caere und von Colle haben mit dem Alphabet der Campanischen Griechen gemein die spitze, oben offene Form des U und die abge- rundete Form C; C für r = y. Das Alphabet von Caere hat diese vier Buchstaben in dieset Geltung^ und Form zusammen mit keinem anderen Griechischen Alphabet gemein. Die beiden Alphabete von Caere und Colle unterscheiden sich von dem der Chalkidischen Colonien dadurch, dass jene den alten Buchstaben /v\, Phönikisch Zade, und ffl, Phönikisch Samech, noch bewahrt, das 9; Griechisch Koppa, aber eingebüsst haben, hingegen diese umgekehrt AA und H aufgegeben, 9 erhalten haben (Momms. Unter it. Bial. 1—14. Kirclih. a. 0. S. 108 f. 115 /: m. 123 f. 126 f. Sclirifttaf. I, 2, a. h. 3. 5.). Daraus folgt, dass die beiden auf Etruskischem Boden gefundenen Griechi- schen Alphabete nicht Töchter des uns vorliegenden Alpha- bets der Chalkidischen Colonien sein können, sondern nur eines Vorfahren desselben, in dem noch die drei Buchstaben fA, ffl und 9 zusammen^ vorhanden waren, eines Westgriechischen Alphabets der Campanischen Griechen von Cumae und Neapolis. Das heisst also: die Alphabete von Caere, Colle und dasjenige der Chalkidischen Colonien waren Geschwister, Töchter eines Mutteralphabets, von dem die beiden ersten das fA und S geerbt hatten, das letzte das 9 (Verf. Äusspr. II, 1001 f.).

Mit allen diesen Griechischen Alphabeten haben die Etruski- schen Alphabete von Bomarzo und Nola das s\/ in der Geltung von ch gemein und die Buchstabenformen U = 1 und <, C; die Alphabete von Chiusi nur das Vl^ == ch und .U = 1 , nicht <, Q. Dieser letztere Buchstabe Avurde im Etruskischen, nachdem die gutturale Media der Sprache verloren gegangen war, für die gutturale Tennis verwandt; doch erhielt sich daneben für diesen Laut auch das Zeichen >l.

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Alle Etruski sehen Inschriften, und zwar die des eigent- lichen Etruriens, die des Pogebietes und der Alpenländer und die Campanischen von Nola und Capua weisen in Uebereinstimmung mit jenen Alphabeten 4/ für ch, U für 1, <, C für c auf (Sclirifttaf. I, 8. 10. 11. II. III.), während sie das Schriftzeichen X = ^ als Ziffer der Zehnzahl, nicht als Lautzeichen verwenden. Folglich ist das Alphabet aller dieser Inschriften mit den Etruskischen Alphabeten der Gefässe von Bomarzo und Nola, mit den Alphabeten von Chiusi und mit den in Etrurien gefundenen Griechischen Alphabeten von Caere und Colle demselben Westgriechischen Mutter- alphabet entstammt, von dem das uns vorliegende Alphabet der Campanischen Griechen von Cumae, Neapolis und anderen Chal- kidi sehen Colonien Nachkommen sind.

Mit dem Etruskischen Alphabet stimmen in allen wesent- lichen Punkten, von denen hier die Rede gewesen ist, überein das ümbrische, Oskische und Sabellische Alphabet, und bilden mit demselben zusammen die eine Gruppe der Italischen Alphabete. Von dieser scheidet sich durch gewisse Abweichungen eine zweite Gruppe, welche durch das Lateinische und das Faliskische Alphabet gebildet wird, aber mit jener ersten und dem Alphabet der Chalkidischen Colonien Grossgriechenlands von demselben West- griechischen Mutteralphabet entstammt ist (Momms. Unterital. Dial S. 21—40. Nordetr. Alplioh. a. 0. VII, S. 222—226. Monatsher. d. Almd. d. Wiss. 2. Berlin 1860, S. 451 f. KircliJi. Skid. z. Gesch. d. Griech. Älphah. S. 116—121. Verf. Änss2Jr. I, 2—12. II, 1001 f. 2 A.).

Als die Etrusker das Griechische Alphabet überkamen, sprachen sie noch den Vokal o; das zeigt das Nordetruskische Alphabet, das den Buchstaben O für diesen Laut gewahrt hat (Momms. Nordetnislc. Alphah. a. 0. Taf. III. Fahretti, Primo Supplem. d. a. iscr. It. p. 13.). Sie müssen in diesem Zeitalter auch noch die Media g gesprochen haben, wie man aus der Thatsache folgern muss, dass sie den Buch- staben > aus dem Griechischen Mutteralphabet aufnahmen. Als aber die gutturale Media allmählich sich zur Tennis verschob, ward jenes Schriftzeichen auf diesen Laut übertragen, ohne dass jedoch der alte Buchstabe >l für denselben ganz aus dem Schriftgebrauch verdrängt wurde.

§4. Das Etruskische Alphabet spaltet sich in drei geogra-

phisch gesonderte Zweige:

L Das gemein Etruskische oder Etrurisch-Etruskische Alphabet hat von seinem Westgriechischen Mutteralphabet zwanzig Buchstaben aufgenommen (Sclirifttaf. I 11 IIL). Es hat, nachdem die Etruskische Sprache ihre Medien zu Tenues verschoben, zwei von den

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Scliriftzeichen derselben, ^ = b und |> = d, aufgegeben-, es hat, neicli- dem der Etruskische Vokal o sich durchgehends zu u verdunkelt hat, auch das Schriftzeichen desselben O fallen lassen; es hat auch das Koppa 9 eingebüsst wie das Umbrische und Oskische Alphabet. Für den eigenthümlichen Italischen Laut f verwendet die Etruskische Schrift dasselbe Zeichen $, 8 wie die Umbrische und Oskische. Die bei Weitem überwiegende Mehrzahl der Inschriften des eigent- lichen Etruriens ist von rechts nach links geschrieben. Auf Spiegeln erscheint daneben die Richtung von links nach rechts, wie sich beide Richtungen der Schrift neben einander auf Griechischen Gefässen finden, wo der Raum für die Inschriften durch die Zeich- nung des Bildes beengt und bedingt ist. Aber auch sonst findet sich die Schrift von links nach rechts. Auf einer Wand des Tomba deir Orco genannten Grabes der Nekropole von Tarquinii bei Corneto sieht man eine von links nach rechts geschriebene Inschrift neben anderen von rechts nach links geschriebenen (Mon. cMV Inst a. 1870 T. XIV, 2. 3. Fabr. Primo Siipiiilem. d. a. iscr. It. n. 402), und zwar über Wandgemälden des freieren Griechischen Stils, also aus verhält- nissmässig später Zeit. Auch von Boustrophedon finden sich in den Inschriften des eigentlichen Etruriens Beispiele. Bisweilen wird der letzte Buchstabe oder die letzte Silbe einer fast ganz von rechts nach links geschriebenen Grabschrift von links nach rechts geschrie- ben unter das Ende der ersten Zeile gesetzt (Conest. Iscr. Etr. Fir. pref. p. 91. Tav. lit. n. 15. 54. 73. 90). Auf dem Deckel einer- Aschenkiste von Chiusi beginnt die Inschrift linksläufig und ist über dem Ende der zuerst geschriebenen Zeile rechtsläufig fort- gesetzt (F. 697, 2 c). Auf einem gemalten Schilde des oben an- geführten Grabes Tomba delF Orco ist die obere Zeile der Inschrift von links nach rechts, die untere von rechts nach links geschrieben (Mon. delV Inst. a. 0. 2). Auf einem Ziegel des Florentiner Museums erscheint auch ein schlangenförmiges Boustrophedon, in dem die zweite unter dem Ende der ersten ansetzende Zeile auf dem Kopfe steht (Conest. Iscr. Etr. Fir. T. XLVI, 161) wie in der Sabellischen Inschrift des Steines von Crecchio (Momms. Unter ital. Dial T. IL); ebenso auf einer Goldspange ven Chiusi (Fahr. T. XXXII, 108). Eine von oben nach unten laufende Schrift, so dass die Buchstaben unter einander stehen {movridov), findet sich auf einer archaistischen Bronzestatuette von Perugia, jetzt im Antiquarium zu Berlin (F. 1929. Conest Mon. Per. IV, n. 685) und auf einer Grabsäule von Perugia (a. 0. IV, n. 44, h. p. 59). Daraus, dass rechtsläufige und linksläufige Schrift zum Theil neben einander vorkommen, wenn auch die letztere die weitaus überwiegende ist, erklärt es sich, dass in der nach links

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gewandten Schrift sich mehrfach einzelne nach rechts gewandte Buch- staben finden (Conest. her. Etr. Fir. pref. p. 90 /'. igl T. I, 8, II, 12 f., III, 24).

2. Das Campanisch-Etruskische Alphabet stimmt fast ganz mit dem Etrurisch-Etruskischen überein^ nur dass es den Buch- staben >l ganz aufgegeben hat, also die gutturale Tennis stets durch > bezeichnet, und für s ein altes Zeichen N gewahrt hat, das ent- stand, indem die beiden inneren schrägen Schenkel des M über ihren Scheitelpunkt hinaus bis zu den unteren Endpunkten der senkrechten Grundstriche verlängert wurden (Schrifttaf. I, 9. 10. 11).

3. Die Nordetruskischen Alphabete (Schrifttaf.' /. 6^ ergeben sich aus den nördlich und nordöstlich von Etrurien im Pogebiete, vom Appennin bis zum Fusse der Alpen und in den Alpenthälern von Tirol, Steiermark, Kärnthen einerseits, und von Valtellin, Tessin, Pie- mont, Graubündten und der Provence andrerseits, also in den ehe- maligen Gebieten der Etrusker, Umbrer, Veneter, Euganeer, Kelten und Ligurer gefundenen Inschriften auf Steinen, Bronzegeräth und Münzen. Die Vergleichung der in diesen Gegenden seit den letzten achtzehn Jahren an das Licht gekommenen inschriftlichen Funde mit den Forschungen von Mommsen führt zu folgenden Hauptergebnissen. Die Mehrzahl der Nordetruskischen Inschriften ist von rechts nach links geschrieben, eine Anzahl von links nach rechts; vier Aveisen gewöhnliches Boustrophedon auf, drei schlangenförmiges Boustrophedon, wie der Grabziegel von Florenz, die Goldspange von Chiusi, die Sabellischen Inschriften der Steine von Crecchio und Cupra maritima. Mit eingerechnet sind bei dieser Zählung die Auf- schrift der archaistischen Bronzestatue des Kriegers von Ravenna (F. 49) und die Inschrift eines Steines von Busca in Piemont (a. 0.. 42, vgl Momms. a. 0. S. 222. F. 1 66. Verf Ausspr. I, 2., 2 A. Fabr. Primo Siipplem. d. a. iscr. It. p. 10 f 13 f Framm. d'iscr. Etruscli. scop. a Nizza. T. 7, 4.). Von den Buchstaben der Medien findet sich in diesen Inschriften keine Spur ausser in einer Inschrift von Limone am Gardasee, die zAvei verschiedene Schrifttexte enthält, einen Latemischen und einen fremdartigen, der nur noch in einzelnen Buch- staben Aehnlichkeit mit Etruskischer Schrift erkennen lässt, und die Buchstaben B = b und C == g enthält (Momms. a. 0. T. II, 17, S. 224. Fahr. a. 0. 13). Von den Nordetruskischen Inschriften haben von den beiden Buchstaben O und V nur das O die Inschriften des östlichen Polandes, des Gebietes der Veneter, O und V neben ein- ander besonders die der westlichen Alpenländer Tessin, Graubündten und der Provence, einst Keltischen Gebietes, aber auch Gefässinschrif- ten| der grossen, in neuester Zeit aufgedeckten Nekropole von Boloo-na:

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Indem ich nun zur besonderen Geschichte des Etruskischen Alphabets übergehe, verweise ich für diese Untersuchungen ein für allemal auf die beigefügten Schrifttafeln. Die Buchstabenformen der- selben gebe ich in der überwiegend grossen Mehrzahl nach meinen eigenen Abdrücken und Zeichnungen von den Originalen, seltener nach Photographien, Abdrücken oder Abbildungen von Conestabile, Fabretti, Brunn, Heibig, Gamurrini und Garrucci, die Nordetruskischen meist nach Mommsen und Fabretti unter Zuziehung der neusten Funde auf diesem Gebiete, die ich aus eigener Anschauung kenne, oder von denen mir Zeichnungen und Staniolabdrücke zugegangen sind (s. unten § 284 f.)y die Griechischen der Chalkidischen Colonien nach Kirchhoff (Studien z. Gesch. d. Griech. Alphah. T. II, XI. vgl. Franz, Elem. Epigraph. Graec. p. 2ü. 40 f.), die Altphönikischen nach M. de Vogue (Lalphab. Hehr. Bevue arcMol. 1865. Fl. VIII.) und M. A. Ltevy (I)as Mesa-Benkmal und seine Schrift. Brest. 1871. Schrifttaf. IV. vgl. P. Schroeder, die Fhönisische Sprache, Schrifttaf. A. B. nach S. 7G. Gesenius, Scriptur. ling. Phoenic. mon. I, 19 48 f.).

Für die nun folgenden Abschnitte sind njir die^ sorgfältigen Unter- suchungen von G. Conestabile über die Schreibweise der Etrusker, namentlich über Form, Stellung und Verbindungen der Buchstaben (Iscr. Etr. Fir. pref. p. 84 107) von wesentHchem Nutzen gewesen.

14

2. Bezeichnung feinerer LautunterscMede durch die Etruskische Schrift.

5. ' Neben einander erscheinen in zahlreichen Etruskischen Inschriften zwei Zeichen filr den Zischlaut: M = s und ^ == s^ und da es überhaupt von vorn herein nicht glaublich ist^ dass die Schrift eines Volkes zwei Schriftzeichen für ein und denselben Laut einführen sollte^ so ist zu untersuchen^ ob nicht dem Gebrauche jener Schrift- zeichen ursprünglich ein lautlicher Unterschied zu Grunde lag.

Die Grabschriften in den Erbbegräbnissen der vornehmen Fami- lieii und Geschlechter Etruriens zeigen uns die hergebrachte Schreib- weise der Etrusker in dem Zeitalter der Abfassung jener Urkunden. Befragt man die grössten uiid wichtigsten dieser Familienbegräb- nisse nach dem Gebrauche der Schriftzeichen M = s und ^ ^ s, so gelangi man zu folgenden Ergebnissen. In den bedeutendsten Erbbegräbnissen der grossen Nekropole der Villa del Palazzone und anderer Grabstätten bei Perugia^ zum Beispiel der Familien der Velimnas, der Trile, der Casni, der Upelsi, der Pumpu Snute^ der Acsis, der Tite Marcna, der Vipis Verenas, erscheint M = s regelmässig im Auslaute der Wörter, ^ = s kommt an dieser Stelle nur ganz vereinzelt einmal vor (Conest. Mon. Per. II, n. 1 11. III, n. 69—79. 78—93. 94—101. 107—114. 176—201. 222—229. 260— 279). Auf vier Grabsäulen von Perugia (Con. Mon. Per. IV, n. 13. T. III j 1. n. 18. T. V, n. 34. n. 41.), in der grossen Urkunde eines Grabes auf dem Cippus von Perugia (a. 0. IV, n. 1. T. I.), in der Portalinschrift des Grabhauses von Torre di S. Manno bei Perugia (a. 0. IV, n. 2. T. IV, n. 3), auf der Bronzestatue des Redners von Perusia, jetzt im Etruskischen Museum von Florenz (Comst. Iscr. Etr. Fir. T. LVII, 197. Mon. Per. IV, T. LXXIII) findet sich M == s ganz vorwiegend im Auslaute, ^ = s nur verein- zelt an dieser Wortstelle. Auch die überaus zahlreichen Aschenkisten aus verschiedenen Gräbern der Campagna von Perugia, die Bleiplatten und sonstigen Grabdenkmäler derselben zeigen M = s noch entschie- den vorwiegend als Schriftzeichen des auslautenden s, wenn auch daneben nicht selten ^ = s im Auslaut vorkommt. Ebenso ist auch der Schreibgebrauch in den meisten Erbbegräbnissen von Chiusi (F. 494, 2— 2h. 495 501. 534, 2, a m); aber in der Gruft der Peris daselbst findet sich nur ^ = s (F. 519 526); desgleichen erscheint /A = s in dem Erbbegräbniss der Cvenle bei Siena und auf den Bleiplatten von Volterra als Buchstabe des Auslautes (F. 367—401. 314).

Also im Schriftgebrauche der vorzüglichsten Erbbegräbnisse

15

und der grössten und wichtigsten Sprachurkunden des nörd- lichen Etruricnis ist^ abgesehen von einzehien Ausnahmen, ^ = s nicht im Auslaut verwandt worden, sondern in der Regel im An- laut und Inlaut, hingegen M = s sehr vorwiegend im Aus- laut, selten im Inlaut und Anlaut.

Anders ist der Gebrauch der beiden Schriftzeichen in den wich- tiö-sten und ausführlichsten Schriftstücken Südetruriens. Hier ist ^ = s das bei Weitem überwiegende Schriftzeichen des Zischlautes an allen Stellen des Wortes, und daneben findet sich viel seltener ohne Unterschied der lautlichen Bedeutung, ebenfalls an allen Wortstellen, auch M = s ; so in dem Golinischen Grabe von Orvieto, in dem Grabe von Vulci mit den Gemälden des Troischen Sagenkreises, auf Sarkophagen und einer Aedicula voji Vulci, in der Gruft der Alethnas von Viterbo, in den Gräbern der Nekropole von Tarquinii: Grotta del Tifone, Tomba deir Orco und in dem Erbbegräbniss der Velchas, auf Sarkophagen von Poggio del Castelluccio und von Corneto bei Tarquinii. In den zahlreichen In- schriften des Erbbegräbnisses der Tarquinier von Caere findet sich nur ein einziges AA neben zahlreichen ^, Sarkophage der Felsengräber von Norchia weisen nur noch ^ auf. Daraus ergiebt sich, dass in dem Schrift- gebrauche der wichtigsten und ausführlichsten Schriftdenkmäler Süd- etruriens das M = s ein todter Buchstabe geworden ist.

In den Etruskischen Inschriften der Ge fasse von Nola und Capua ist ^ das regelmässige Schriftzeichen des Zischlautes. Der alte Buchstabe [X] =^ ^ des Etruskischen Alphabets von Nola findet sich noch auf einem Nolanischen Gefäss (F. 2782 h.) und in der Aufschrift einer schwarz lackierten Schaale von Capua (Heibig, Bull, d. Inst. a. 1871, p. 137), die nicht Oskisch ist, wie sich unten ergeben wird, sondern Etruskisch. Auch dieses N hat seine laut- Uche Bedeutung verloren und ist ein todter Buchstabe geworden.

Die Nordetruskischen Inschriften verwenden öfter ^, und zwar an allen Stellen des Wortes, daneben aber auch (X], M ohne ersichtlichen Unterschied der lautlichen Bedeutung (Momms. Nordetr. .ÄIpli. a. 0. T. III,). Insbesondere brauchen diejenigen, die sich unten als Etruskische Sprachdenkmäler ergeben werden oder doch mit Wahrscheinlichkeit als solche angesehen werden können, zum Theil ^ neben seltnerem M ohne Lautunterschied; so die achtzeilige Inschrift eines grossen bronzenen Schlüssels, gefunden zu Dambel im' Val di Non zwischen Cles und Fondo, südwestlich von Botzen, am 19. Jan. 1870 (Voce Cattolica, Trento, 24. Febr. 1870, n. 23, p. 4. Suppl. d. n. 23. Fahr. Frimo Suppleni. d. a. iscr. It. n. 1. Tav. I, 1, h. s. unten § 286), die Aufschrift auf einem Bronzegefäss von Botzen^

16

jetzt im Antiquarium zu Berlin (F. C>0. s. miiPM § 287), auf einem Bronzeo-efäss, o'efunden im Val di Cembra unweit Trient (Mcmmis. a. 0. S. 207. T. I, II, A. B. s. unten § 285), auf einem Helm von Negau in Steiermark (a. 0. S. 208. T. I, 12, A. B. s. unten § 289), auf dem Stein von Busca in Piemont (F. 42. Framm. cTiscr. Etr. Niz0. T. I, 4.) und Inschriften der Nekropole von Marzabotto bei Bologna (Gossaäini, Bi un antica necrojJoU a Marzabotto, p. 30. 31. tav. XVII, 17. F. 46. 47). Nur den Buchstaben ^ weisen auf ein Helm von Negau (Monims. a. 0. S. 200. T. I, 13, A. B. s. unten § 289), die bronzene Statuette eines Kriegers von San Zeno im Val di Non (F. T. II, 23. s. unten §. 286), der Henkel eines Bronze- gefässes von Matrey (Momms. a. 0. S. 206 f. T. I, 10), die archaisti- sche Bronzestatue des Kriegers von Ravenna (F. 49) und eine zu Tresivio im mittleren Yaltellin am 31. März 1871 gefundene Etrus- kische Grabschrift (Verf. Bullet, d. Inst. 1871, p. 214 219. Fahr. Primo Supplem. d. a. iscr. It. n. 2. Tav. I, 2. s. unten § 288). Auch in den Nordetruskischen Inschriften ist also das /v\, (X] ein todter^ selten gewordener Buchstabe.

Die vorstehende Untersuchung hat also ergeben, dass in der Schrift des nördlichen und mittleren Etruriens das Schrift- z eichen M in der Regel das auslautende s bezeichnete, hingegen ^ der Buchstabe des inlautenden und anlautenden, s war, und dass dieser Unterschied namentlich in den Inschriften der Erbbegräb- nisse der grossen Nekropole des Palazzone bei Perugia sorgfältig beachtet wurde, dass aber diese Unterscheidung aufgehört hat in den Inschriften Südetruriens, Campaniens und des Gebietes nördlich von Etrurien, dass /V\; M in diesen nur noch ein selten gebrauchter, todter Buchstabe ist. Dass wirklich einmal M der Buch- stabe des auslautenden, ^ des inlautenden s war, wird weiter unten dadurch seine Bestätigung finden, dass füi' das auslautende s der Nominativformen /V\ das bei Weitem vorherrschende Schriftzeichen ist, während ^ ebenso vorwiegend für das inlautende s der Ehe- fraunamen auf -a-sa, -e-sa, -i-sa, -u-sa verwandt wird. Da nun jenes auslautende s im Etruskischen häufig abfiel, dieses inlautende sich stets unversehrt erhalten hat, so hatte das auslautende Etruski- sche -s einen matten, schwachen Ton wie das Lateinische auslautende s, hingegen das inlautende s der Ehefraunamen einen\stärkeren Klang. Mithin ist einmal in der Etruskischen Schrift M = s für das matte auslautende s, <" für das stärkere anlautende und inlau- tende s verwandt worden. Dieser Unterschied hat sich indessen frühzeitig verwischt oder ist vielleicht nie ganz durchgreifend zur Geltung gelangt.

. _ 17

Dass die Etruskische Schrift die verschärfte Aussprache der §G. Consonanten bisweilen durch das doppelte Schriftzeicheu derselben ausdrückte wie die Lateinische und Oskische, lehren die Schreibweisen:

Tanna, F.1914,A,1. Callia, Fahr. Prim. suppl. n.

Rannei, F. 337,' 2. 222, 2, a. c.

Anni, jP. m97. Turrisia, F. :Z<9i7.

Veltinnas, F. 1970, Carra, F. 2266.

Thenna, F. 964. Arra, Con.Mon.Per. IV,n.534.

Cainnei, F. 624, 2. Lesstini, F. 651.

clellu, F. 2033, 2,p. 7, a. Presntessa, F. 337, 2.

Ellan, F. 1920, 2. Causlinissa, F. 775.

Uillinal, F. 894, 2, a. Aesialissa, F. 452.

Appius, F. 111.

Aber diese Schreibweise ist doch nur selten; im Ganzen bleibt die Etruskische Schrift auf dem Standpunkte der Altlateinischen stehen, die dasselbe Schriftzeichen nicht doppelt setzte (Verf. Ausspr. I, 13. 2 A.).

Wie die Lateinische, Umbrische, Oskische, Sabellische Schrift Ansätze genommen haben, den langen Vokal, weil er die doppelte Tondauer des kurzen hatte, durch das doppelte Schriftzeichen des Vokals vom kurzen zu unterscheiden, diese Schreibweise aber nicht durchgeführt haben (Verf. a. 0. 1, 14 f.), so hat auch die Etrus- kische Schrift diesen Versuch gemacht in den Schreibweisen:

Maalnas, Con.Mon. Per.IV,n.l72. iiam, Scliaale von Nola,JKus. Neap.

Laani, F. 892. Im. n. 809. s. tmten § 172. n. 28.

Tutnaa, F. 743, 2. Veete, Con. Iscr. Etr. F. XXVIII,

Umranaal, F. 734. 110.

Vestresaal, F. 1598. ' Juuna, F. T. XLIII, 2400, d.

Piutaal, Con. Iscr. Etr. Fir. T. chuu, F. 2754, h. XXXVIII, 141.

Diese Schreibweisen sind für die Erkenntniss der Etruskischen Sprache von hoher Wichtigkeit, denn sie lehren uns, dass die Etrus- kischen Schriftgelehrten ein' ebenso fei;iies Ohr für das Zeit- maas der vokalischen Laute hatten wie die Römischen, Umbri- schen, Oskischen und Sabellischen, und berechtigen zu Schlussfolge- rungen auf die Quantität der Etruskischen Sprache, die in der Lautlelu'e zur Sprache kommen werden.

Die Etruskische Schrift unterscheidet wie die Umbrische und Oskische den labiodentalen Reibelaut oder Halbvokal v durch einen besonderen Buchstaben ^, D von dem Vokal u V, übertrifft

CORSSEN, Etniskische Sprachdenkmäler. 2

18

also an Genauigkeit der Lautbezeiclinung die Lateinische, die es zu dieser Unterscheidung nie gebracht hat^ obwohl Kaiser Claudius dazu einen Versuch machte (Verf. Ausspr. 7, S. 26 f.).

Hingeojen hat die Etruskische Schrift so wenig wie die Latei- nische durchgreifend den palatalen Reibelaut oder Halbvokal j von dem Vokal i unterschieden. Wohl aber hat sie denselben Versuch dazu gemacht wie die Lateinische und Oskische Schrift, den Laut j durch das doppelte Schriftzeichen für den Vokal i aus- zudrücken. Das lehren die Schreibweisen:

Caiia, F. 1405. 1627. 2180. Caiial, F. 1129. USl.

Hier bezeichnet ii den breiteren, weicheren Laut des palatalen Reibe- lautes ]y wie in den Lateinischen Schreibweisen Graiius, Maiius, Baiius, Seiius, Maiia, Troiia u. a. und in den Oskischen Mara- iieis, Pompaiians, mefitaiiais (Verf. Ausspr. I, 18. 19. 2 A.). Aber auch der Laut des i nach Consonanten im Suffix -io, -iä, ur- sprünglich -ja, ja, wird in Etruskischer Schrift nicht selten durch ii ausgedrückt; so in:

Gnaiviies, F. 2782, a. Viniciiu, F. 2753.

Veliies, F. 2775. Larthiia, F. 1382.2311.

F a V i i e s , Nolanische Schaale im Mus. Lautniia, F. 1663.

zu Neapel, Inv. n. 487. s. unten Thaniia, F. 1800.

§ 156. T. XIV, 2. Nustiia, a. 0.

[A]niies, F. 2302. Kathuniias, F. 2610, 2.

leniies, F. 2304. Titiial, F. 1014, 2, h.

Luvciivs, 'I^. 2287. Larstiialisa, F. 1329.'')

Denselben Laut bezeiclinet die Oskische Schrift ebenso in Meelikiieis = Gr. MeilL%iov, loviia neben Diuvia (Verf. Ausspr. 1, 19. 2 A.), die Umbrische in Veh-iie-s neben Veh-ie-r, Kluv-iie-r, Vu^- iia-per, Klavern-iie neben Clavern-iu-r, Castru9-iie, At-ii- er-ie neben At-i-ers-i-r (AJc. ünibr. Sprd. II, 119).

Erst in der Lautlehre kann der Nachweis geführt werden, dass die Etruskische Schrift Uebergangslaute zwischen zwei entschieden ausgeprägten Lauten, oder Laute, die durch einen halbvokali- schen Nachklang oder einen Zischlaut getrübt sind, durch die Schriftzeichen der beiden Vokale oder Consonanten aus- drückt, zwischen denen der undeutliche oder getrübte Laut in der Mitte liegt. So ist im Etruskischen 13 vielfach das Schriftzeichen für den Mittelhiut zwischen e und i, wie dieselben Buchstaben

*) Unsicher überlief(!rt ist Veiiae (F. 7). Ciiceiiial (F. 1379) ist verschrie- ben aus Caceinal, vgl. Caceiniii (F. 1380).

^ 19

im Lateinischen, Oskischen und Umbrischen (s. unten § 429. 430. Verf.

a. 0. I, 719 f. 788. 789 f.). Der Laut der gutturalen Tennis mit

halbvokalischem labialen Nachklang, den die Lateinische Schrift

durch QV ausdrückt, bezeichnet die Etruskische durch die Buchstaben

^> und V> in den Schreibweisen:

Cvintia, F. 1536. = Lat. Quintia. Cuinte, F. 980. = Lat. Quintus.

C.vinti F. 1051. 1653.

Ebenso bezeichneten die Umbrer und Osker denselben Laut in den

Wortformen kvestur = Lat. quaestor, Osk. kvaisstur, die Fa-

lisker in cuando = Lat. quando, ähnlich die Griechen in Kovt-

QLvog, KviVTiXCag u. a. (Verf. a. 0. 69. 73 f. 75.).

Die Untersuchung über die Assibilation der Etruskischen Sprache wird nachweisen, dass der Beginn der Assibilation der Laute t, th, c dadurch ausgedrückt wurde, dass denselben in der Schrift ein s oder z beigesellt, also ts, st, ths, es, tz, cz geschrieben wurde, wie in der spätlateinischen Schrift ein assibiliertes t mehrfach durch ts bezeichnet wird (s. unten § 342. 344. 345. 352. 353. Verf. a. 0. I, 64 f.).

Also die Etruskische Schrift bezeichnet dieselben fei- neren Unterschiede, Uebergänge und Beiklänge des sprach- lichen Lautes durch dieselben Schriftzeichen wie die Latei- nische, Oskische und Umbrische: die Consonantenverschär- fung, die Vokallänge, den Mittellaut zwischen e und i, den halbvokalischen labialen Nachklang, den eingeschlichenen Zischlaut. Sie übertrifft die Lateinische Schrift an Genauigkeit der Lautbezeichnung, indem sie das matte auslautende und das stär- kere anlautende und inlautende s durch besondere Schrift- zeichen scheidet, ebenso wie den labiodentalen Reibelaut v von dem Vokal u. Aber die Etruskische Schrift hat ihre Bezeich- nungen der feineren Lautunterschiede ebenso wenig überall angewandt und durchgeführt wie die Lateinische. Jedenfalls beweist diese Schrift, dass die Etruskischen Gebildeten und Gelehrten ebenso feine Ohren hatten für die Unterscheidung des sprachlichen Lautes ihrer Mutter- sprache wie die Römischen.

3. Veränderungen der Bnchstabenfornien.

Die Schrift der Etrusker hat im Laufe der Zeit Aenderungen erhtten wie die Schreibweise der Römer, dgr Griechen und anderer Völker.

Frühzeitig kommen in der Etruskischen Schrift manche alte Buchstabenformen ausser Gebrauch.

2*

20

In dem von links nach rechts geschriebenen Syllabarium der Galassischen Flasche von Caere kommt der Buchstabe T vor in der Geltung von f:, ^ = v. Das Griechische Alphabet dieses Gefässes giebt nämhch folgende Buchstaben: a, b, c^ d, e, v, z, h^ d-, l, k, 1, m, n^ Samech^ o, p, s', r, s, t, u, x, 9, % (T. I, 3), und das Etrus- kische Syllabarium desselben folgende Silbengruppen : ci, ca^ cu, ce; vi, va, vü, ve; zi, za, zu, ze; hi, ha, hu, he-, thi, tha, thu, the; mi, ma, mu, me; ni, na, nu, ne; pi, pa, pu, pe; ri, ra, ru, re; si, sa, SU, se; chi, cha, chu, che; fi, fa, fu, fe; ti, ta, tu, [t]e (T. I, 4). Dass in der zweiten Silbengruppe der Anfangsbuchstabe T nicht 2^ bedeuten kami, ergiebt sich daraus, weil erstens in dem Sylla- barium die mit p anfangende Silbengruppe ja weiter unten zwischen der mit n und der mit r an der ihr zukommenden Stelle folgt, und man doch nicht oline zwingenden Grund annelimen kann, der Schrei- ber habe die ganze Silbengruppe zweimal geschrieben, zweitens weil in der Silbengi'uppe pi, pa, pu, pe an ihrer richtigen Stelle für p die zweieckige Gestalt f* erscheint wie in dem Griechischen Alphabet des Gefässes, oder in der aus jener abgerundeten Gestalt P (s. T. I, 4.). Die Form 1 für v findet sich auch in der Schreibweise 3 nJ 11 für Yile = Gr. 'liXaos auf einem Bronzespiegel (Gerh. Etr. Spieg. Uly 126. t CXXVIII. Con. Mon. Fer. IV, n. 692. F. 1072. s. unten § 268) und in Phönikischen Alphabeten, wenn auch nicht in den ältesten (Gesen. Script Ung. Fhoen. mm. I, 19 48. Schroedcr, Die Phon. S2>r. T. A. B. nach S. 76.). Der Buchstabe ^ konnte in Etruskischer Schrift zu ^ vereinfacht werden durch Weglassung eines Striches wie ^ = h zu M, A^ = m zu ^, M = n zu v\^ $ = s zu ^ und 9. Jedenfalls ist T in dem Syllabarium ein „vernachlässigtes" F (Momnis. Unterit. Bial. S. 16 f.).

Der Buchstabe 9 des Etruskischen Syllabariums von Caere kann nicht Koppa bedeuten, weil er in dem Griechischen Alphabet neben demselben nicht vorkommt und weil er nach Y = ;t steht, nicht wie das Griechische Koppa nach P = p (Momms. a. 0. S. 18.). Der Einwand gegen diese Ansicht, wir seien nicht berechtigt, in dem Etruskischen Syllabarium einen Buchstaben für den Etruskischen Laut f zu suchen (Kirchh. a. 0. S. 127.), ist nicht stichhaltig. Wie der Schreiber des Syllabariums trotz des zu Grunde gelegten Griechischen Alphabets den Griechischen Vokal o dmxh alle Silbengruppen aus- liess, weil derselbe nicht Etruskisch war, so fügte er ein Zeichen für den Laut f hinzu, weil derselbe Etruskisch war. Er schrieb sein Syllabarium eben für Etrusker, die mit Hülfe desselben buchstabieren und lesen lernen sollten, nicht für Griechen. Die Behauptung, der Buchstabe 9 komme in altetruskischen Lischriften in der Geltuno- des

21

Griecliisclien Koppa^ des Lateinischen qu vor (a. 0.)^ ist nicht be- gründet. Dieses 9 erscheint nur in der Inschrift eines Bechers von schwarzem Thon aus Caere^ jetzt im Etruskischen Museum des Vatican (F. 2404.), und auf einem Gefäss der Sammhmg Guglielmo zu Civita Vecchia (Momms. Unterit. Bial. S. 18. Helhig, Bull. d. Inst. 1869, p. 167.); und dass Mommsen Recht hatte, das 9 dieser beiden In- schriften als f zu fassen, wird die unten gegebene Erklärung derselben bestätigen (s. unten § 249). Das Lateinische qu ist in Etruskischer Schrift stets durch cv, cu wiedergegeben wie im Oskischen, ümbri- schen und Faliskischen, oder mit Verschiebung der Tenuis zur Aspi- rata durch chv, chu; zum Beispiel im Etr. Thanchvil = Lat. Tanaquil, und Etr. Chuarthv == Lat. Quartus, wie in der Laut- lehre nachgewiesen werden wird (s. unten § 294). Das Etrus- kische 9 nach \1/ im Syllabarium von Caere muss also dieselbe Geltung haben wie der Buchstabe S = f nach 4/ in dem Etrus- kischen Alphabet von Bomarzo. Die Buchstabenform 9 ist aus dem Griechischen ^, (^ = (p differenziert worden, um den von dem Griechischen cp wesentlich verschiedenen Laut des Italischen f zu unterscheiden. Aus der Form (^ Q für f entstand die bei den Etrus- kern, Umbern und Oskern zu allgemeiner Geltung gelangte Form $ 8, indem der untere senkrechte Strich derselben zu einer Oese um- gebogen wurde, um diesen Buchstaben noch bestimmter von dem Griechischen cp zu unterscheiden. Durch solche Umbiegung entstehen auch andere Etruskische Buchstabenformen, wie sich unten heraus- stellen wird (s. unten S. 23. 27.). Auf diese Weise ist auch das Grie- chische ^, B aus dem Altphönikischen ^, ^ = h (T. I, 1.) ent- standen. Und dass sich das Faliskische 1^ = f aus dem Griechischen ^ = (p differenziert hat, indem die beiden schrägen Unterschenkel desselben weggelassen wurden (Verf. Äusspr. I, 4. 2 Ä.), ist doch näher liegend und einleuchtender, als dieses 1^ aus dem Griechischen 1^ = V herzuleiten (Kirchli. a. 0. S. 121). Diese Buchstabenform T findet sich auch , in der Etruskischen Aufschrift eines Helmes von Negau (Momms. Nordetr. Alph. a. 0. T. I, 12 A. B. s. unten § 289).

Also die altetruskische Schrift verwandte die Schriftzeichen 9 und T zur Bezeichnung des Etruskischen Lautes f, bis diese Buchstabenformen durch die allgemein in der Schrift der Etrus- ker, Umbrer und Osker zur Geltung gelangte Form $, 8 verdrängt wurden.

Für die aspirirte Tenuis th werden neben den alten Formen ^, 0 und den gewöhnlichen ^, O und^'O O auch gelegentlich 0 und © verwandt. Die Form 0 findet sich sicher in Chuarthv (F. 466, 2) = Lat. Quartus, Sesths (F. 2033, 2, par. 6;c.) = Lat.

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Sextus, thui (F. i)8().) == Lat. duit, wie unten nachgewiesen wer- den wird (s. unten § 198 20S), Lartlialisa (Con. Iscr. Etr. Fir. T. XXX, n. 116.), feminthinal (Con. Mon. Fer. II, n. 15, p. 120 f.), Thania (Fahr. Prini. supiüem. d. ant. iscr. Ital. n. 16 9 ^ a), daher auch in Larth (F. 1606.), Larthi (F. 238). Auch in den nordetruskischen Alphabeten erscheinen neben (^, (p für th auch die Buchstabenformen <I>, <[>, Cp (Momms. Nordetr. Alph. S. 222. T. III Schrifttaf. I, 8J, und dieselbe Bedeutung hat ^ dreimal in der Inschrift des schon genannten Bronzeschlüssels von Dambel (s. unten § 285). Die Form © für th findet sich in den Namen Amrithial (F. 601, 2, i) nach meiner Zeichnung im Museum zu Palermo am 23. Juni 1870), Sethre (auf einer Aschenkiste von Chiusi nach meiner Zeichnung im Museum zu Palermo am 20. Juni 1870), Larthi (F. 433.). Die Vergleichung dieser Etruskischen Buchstabenformen für den Laut th lehrt, dass aus der vollständigsten Form derselben 0 durch Weglassung des Quer- striches 0, durch Weglassung des senki-echten Striches © entstand (Momms. a. 0. S. 226), dass der Strich zum Pmikt eingeschrumpft ist in O, und der Punkt weggefallen ist in O. Das ist dieselbe Verein- fachung der alten Buchstabenform, wie sie in den Griecliischen Formen 0, ©, O, O für ^ vorliegt*). Nachdem in der Etruskischen Schrift ß, S = h sich zu 0, © = h abgerundet hatte (T. III, 13 f.), mied dieselbe die senkrecht oder quer gestrichene Form des th, um diesen Laut bestimmt von h zu scheiden wie von dem Griechischen 0, (^ = (p.

Das sechsstr ichige M = m des Griechischen Alphabets und des Etruskischen Syllabariums von Caere findet sich nur noch selten in Spiegelinschriften und auf den Wänden des Golinischen Grabes von Orvieto (T. II, 16. III, 24.) Aus demselben ist durch Weglas- sung des ersten Aufstriches die gewöhnliche Form ^''A = m entstanden, und aus dieser durch Wegfall des letzten Grundstriches die vier- strichige Form W = m^ die in Etruskischen Inschi'iften vorkommt (F. 2600, e. Gerh. Etr. Spieg. t. CCCXXXII, 1. Con. Mon. Fer. IV, n. 691. T. LXXVII, 2. F. 1062 s. unten § 57, n. 12. vgl. Ritschi, Prise. Lat. mon. epigr. p. 112.). Ebenso ist in dem Griechischen Alphabet der Chalkidischen Kolonien /^ = m zu M vereinfacht wor- den. Diese gewöhnliche Form des Lateinischen und Griechischen m hat sich auch gelegentlich in die Etruskische Schritt: eingeschlichen, wie weiter unten zur Sprache kommen wird.

*) Natüi-lich konnten 9, © sehr leicht zu O und O verstümmelt und O = th leicht statt 0 = h und 0 = qp gelesen werden (vgl F. 1228. 2480. 534, 3, d). Die Verkennung der besprochenen epigraphischen Thatsachen hat den Glauben veranlasst, dass im Etruskischen die Laute h, th, ph wüst durcheinander ge- mengt seien.

- 23 -

Das vierstrichige M = n des Griechischen Alphabets und des Etruskischen Synabariums von Caere findet sich in keiner Etruski- schen Inschrift, muss also frühzeitig abgekommen sein wie 1 = v und 9 = f desselben Syllabariums. Das ist begreiflich, da M = n dem tA = s, 1 = v dem 1 = p gleich gestaltet, 9 (^em Griechischen (p noch immer sehr ähnlich war, die Etruskische Schrift aber wie jede andere nach deutlicher Unterscheidung der Laute durch verschie- 'den gestaltete Schriftzeichen strebte. Für ^ = n findet sich in der nordetruskischen Inschrift des Bronzeschlüssels von Dambel im Val di Non die Form ^ , welche den linken Schrägbalken des Buchstaben verlängert und zu einem wagrechten Strich umgebogen hat. In glei- cher Weise ist aus Y = ch in eben derselben Inschrift die Form ^ entstanden.

Der Buchstabe M erscheint allerdings häufiger in älteren als in jüngeren Inschriften (Conest Iscr. Etr. Fir. Prof. j). XCIV. vcrgl. T. I.); aber er kommt auch mehrfach in jüngeren Schriftstücken vor; so neben den Gemälden des Golinischen Grabes von Orvieto (F. 2033, 2. T. II, 17.)^ neben Reliefs einer Aschenkiste von Volterra (F. 344.), auf einem Spiegelbild von Perugia (Con. Mon. Per. IV, n. 695. T. LXXX, 1.) und auf einer Spiegelzeichnung von Chiusi (F. 470.), sämmtlich Kunstwerke des freieren, zum Tlieil schon verweichlichten und im Verfall begriffenen Griechischen Kunststils der Alexandrini- schen Zeit.

Schon in der älteren uns erhaltenen Schrift der Etrusker tritt also ein Bestreben nach Vereinfachung der Buchstabenformen zur Bequemlichkeit des Schreibers hervor. So werden aus ^, © = th bisweilen 0, ©, gewöhnlich <>, O und O; O. Statt des sechsstrichigen M gelangt das fünf strichige ^, l/l/l, [Tl zu fast alleini- ger Geltung; selten erscheint daneben W. Aus dem vierstrichigen ^ = s wird das dreistrichige ^ und ^ , aus dem ^ mit drei Quer- strichen das mit zweien M, aus dem ^ == v entsteht schon in alter Zeit ein 1, das jedoch wieder ausser Gebrauch kommt. Dasselbe Bestreben nach Vereinfachung und Abkürzung der Buchstabenformen zur Bequemlichkeit des Schreibers zeigt sich auch im Lateinischen Alphabet (Bitschi, Zur Gesch. d. Lat. Alphab. S. 8) und ebenso im Griechischen (Kirchh. a. 0. T. I. II) und im Phönikischen (Gesen. Script, ling. Phoen. mon. I, 19 f. Schroeder, Phoenix. Sp)r. T. A. B., nach S. 76).

Weiter zeigt sich in der Etruskischen Schrift ein Fortschritt § 8. zu grösserer Regelmässigkeit der Buchstabenformen durch Bevorzugung des senkrechten Grundstriches und des wage- rechten Querbalkens statt der schrägen Schenkel, der|gleichen

24

Höhe der Grundstriche statt der ungleichen, des rechten Win- kels statt des spitzen, mit Vermeidung der Verlängerung der Schenkel über ihren Scheitelpunkt hinaus, wie solche am meisten in Graffit- inschriften erscheint. So gewinnt die Schrift an Regelmässigkeit und Schönheit durch die Buchstabenformen

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m. "^ !/H statt vv\ VV\ ^

n. ^ M n n V^ A\

V. =1 :j ^ :/

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0 0.

Die Form M für M = s (F. 1461. 1469. 1085.' 131. Con. Iscr. Etr. Fir. T. XXXIX, 143) entstand wohl aus dem Bestreben, die unteren * Endpunkte aller Schenkel dieses Buchstaben in einör Grundlinie zu- sammen zu haben, wie in der Form 14/1, mid so demselben eine regel- mässige Form zu verleihen. Man kann nur sagen, dass im Ganzen die spitzwinkligen Buchstaben mit schrägen Schenkeln in den älteren Schriftdenkmälern der Etrusker über die rechtwin- kligen mit senkrechten Grundstrichen und wagerechten Querbalken überwiegen. Aber diese finden sich zum Theil schon in den älte- sten Schriftdenkmälern, und jene erhalten sich noch häufig genug bis in die späte Zeit, namentlich in der eingravierten Schrift der Bronze- spiegel und in den Graffitinschriften der Thongefässe und Thonziegel. In der Lateinischen Schrift zeigt sich derselbe Fortschritt von den spitzwinkligen zu den rechtwinkligen Buchstaben- formen (RitscM, Zur Gesch. d. Lat ÄlpJi. S. 19 f. 22. Verf. Ätisspr. I, 5 f. 2 A.) und ebenso in der Oskischen (Verf. a. 0. II, 110. 111. 120), in der Umbrischen (a. 0. 120 f.), in der Griechischen (Kirchh. a. 0. T. L II) und in der Phönikischen (Gesen. a. 0. Schroeder, a. 0.).

Das Bestreben nach Bequemlichkeit der Schrift für die Schreiber führte nun aber weiter zu der Krümmung ihrer Schenkel und Ab rundung ihrer Winkel, zu der Annäherung an eine Cursivschriffc. Diese ist ausgegangen von der eingeritzten Schrift der Thongefässe, Thonziegel und Bronzewerke; denn zur Herstellung der eckigen Buch- stabenform musste hier der Schreiber den metallnen Spitzgrifi"el oder Grabstichel vielfach zweimal ansetzen, während er den abgerundeten Buchstaben schneller mit einem Zuge desselben machte.

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Es erfolgt hier eine Ziisammenstelhmg der alten eckigen Buclistabenformen, der halb abgerundeten Uebergangsfor- men und der ganz abgerundeten Buchstabenformen der Etrus- kischen Schrift.

Eckige Formen.

üebergangsforiiien.

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88

Abgeninclete Formen.

Am frühesten ist die völlige Abruudung der Buclistabeuformen einge- treten bei e, tli, pli^ r^ a, für die auch die Griechischen Aljjhabete der Chalkidischen Colonien die abgerundeten Formen aufweisen^ später bei den anderen Buchstabenformen. Im Ganzen sind die eckigen Formen die älteren^ die abgerundeten die späteren; aber beide gehen vielfach neben einander her^ oft in einem und demselben Schrift- stück, sammt den mannigfachen Uebergangsformen. Für den Vokal a sind diese bei Weitem die gebräuchlichsten. Die Buchstaben formen mit stark ausgebogenen und verschnörkelten Schenkeln, namentlich für v, 1, s, u, ch finden, sich häufiger in der Schrift des nördlichen Etruriens, namentlich auf Aschenkiste'n und Aschen- töpfen von Chiusi (T. III, 20. 21), seltener in den Inschriften des südlichen Küstenlandes.

Durch die Krümmung der Schenkel und die Abrundung der Winkel gewinnt die Schrift zum Theil ein gefälligeres Aussehen, da die Abwechselung der Bogenlinie und der Wellenlinie mit der geraden Linie der Buchstabenfomien dem Auge zusaget. Andererseits aber verliert die Schrift dadurch an Sicherheit der Haltung, an Deut- lichkeij] und Schärfe der Unterscheidung. Manche Formen verschie- dener Buchstaben werden sich dadurch so ähnlich, dass sie völhg zusammenfallen, namentlich von a und r, von c und v, von th und h, von th und ph, von th und r, von p und r, wie die Vergleichung der in den Schrifttafeln zusammengestellten Buchstabenformen lehrt, und diese Aehnlichkeiten haben wesentlich beigetragen zur Verderbniss der älteren Texte Etruskischer Inschriften. Kommt dazu noch die Flüchtigkeit und Nachlässigkeit, mit der besonders auf Grabziegeln und Gefässen von Thon die Buchstaben eingeritzt sind, so wird die Lesung dieser

27

Inschriften oft schwierig und zweifelliaft^ namentlich zeigen die kreis- fönnigen Gi-iiflitinscliriften auf dem Boden oder unter dem Fuss von Thongefässen melirfach ein arges Gewirr von Schriftzeichen, Cor- recturen des Schreihers und zufaUigen Ritzen.

Wieweit die Verschnörkelung und Entstellung der spät- etruskischen Schrift durch Einbiegung und Ausbiegung der Buchstabenschenkel gegangen ist, dafür bietet die Bilingue des Opferschauers und Blitzsühners Cafates von Pesaro (F. 69) merk- würdige Belege. Hier erscheinen die Formen R für ^, 3L, E. für ^, F\ für y durch Umbiegung der Schenkel zu Oesen, ebenso wie auf einem Aschentopfe von Perugia ^ für ^ und | für ^ (Con. Mon. Far. III, T. VIII, 2. F. 1724). Als Beispiele der Entartung und Verwahrlosung der spätetruskischen Sclirift infolge von Abkürzung und Abrundung der Buchstabenformen mögen hier noch die Grab- schrift einer Aschenkiste von Florenz (Con. Iscr. Etr. Fjr. T. XXVIII, 110) und der Etruskische Text der Bilingue eines Grabziegels von Florenz (a. 0. T. LXIII, 224) angeführt werden. Die Schrift des letzteren ist so verwahrlost, dass nur durch den Lateinischen Text der Bilingue die richtige Lesung derselben sicher gestellt ist.

In der Lateinischen Schrift zeigen sich ähnliche Verände- rungen der Buchstabenformen wie in der Etruskischen durch Ein- biegung und Ausbiegung ihrer Schenkel und Abrundung ihrer Winkel (BitscM, Z. Gesch. d. Lat Alph. S. 19 f. 22), ebenso in der Oskischen, Sabellischen, Umbrischen und Faliskischen Schrift (Verf. Ausspr. II, HO f. 120), in der Griechischen (Kirclih. a. 0.) und in der Phönikischen (Schroeder, PJioen. Spr. S. 77. De Vogue, L'cdph. Hehr. Bev. arclieol. 1865. Fl. VIII, 6—8).

Die Wahl der hier besprochenen Buchstabenformen ist § 10. in den Etruskischen Inschriften zum Theil bedingt durch das Werkzeug, mit dem sie niedergeschrieben, und durch den Stoff, auf dem sie verzeichnet sind. Der Meissel hat sie in Stein einge- hauen, der Grabstichel in Bronze, Silber, Gold, Thon, Stein und Wandkalk eingeritzt, der Pinsel auf Stein, Thon und Wandkalk aufgemalt. Der Grabstichel fährt beim Einreissen der Buchstaben- sehenkel in hartes oder sj^rödes Material leicht über sein Ziel hin- aus und erzeugt langschenklige spitzwinklige Buchstaben, deren Schenkel sich vielfach schneiden. Der Pinsel drückt sich breit auf der Grabwand, dem Steinsarg oder dem Thongefäss, und giebt viel- fach dickschenklige Buchstabenformen mit unsicheren verschwimmen- den Umrissen und Endpunkten. Der Meissel ist am meisten geeignet, Umrisse und Endpunkte der Buchstaben scharf, fest und gleichmässig anzugeben; er neigt nicht zur abgerundeten Buchstabenform, die ihm

_ 2'^

im Ge^entheil Schwierigkeiten bereitet, er ist, der laugsamste aber auch der sorgsamste imd zuverlässigste epigraphische Arbeiter, uud hat uns die regelmässigwsten uud schönsten Etruskischen Schriftstücke hinterlassen. Die Lateinische Schrift zeigt ähnliche Unterschiede der Buchstabenformen je nach dem Werkzeuge, mit dem sie angefertigt, und dem M-aterial, auf dem sie geschrieben sind (Ritschi, a. 0. S. 4).

Auch von der Fojrm des Gegenstandes, auf dem die Etrus- kischen Inschriften geschrieben stehen, ist die Form der Buch- staben zum Theil mitbestimmt. Die Aschenkisten der Etrusker wurden meist von handwerksmässigen Steinhauern oder Bildhauern mitsammt ihren Reliefdarstellungen Griechischer Sagenstoffe im Vor- rath angefertigt, dann für die Bestattung von Verstorbenen von deren Hinterbliebenen angekauft und nun erst mit der Grabschrift versehen. Da diese Inschriften in der Reojel auf den Rand des Deckels oder auf den obern Rand des Kastens der Aschenkisten geschrieben wur- den, so war dadurch der Schrifthauer zu einer gewissen Regelmässig- keit der Buchstaben zwischen den beiden Kanten des Randes genö- thigt, wie der Knabe, der zwischen zwei Linien zu schreiben anfängt. Daher erscheinen auf den Rändern der Aschenkisten aus Tra- vertin, Marmor und Alabaster, deren vorzüglichste Stätten Perugia, Chiusi und Yolterra sind, und deren Reliefs meist aus der Zeit des Verfalls der Etruskisch-Griechischen Kunst stammen (Brunn, I rilievi delle iirne Etrusclie Vol. I, xnaef. p. VI), im Grossen und Ganzen die regelmässigsten Bucl^stabenformen, obwohl auch unter ihnen eine grosse Mannigfaltigkeit hervortritt. Aehnlich verhält es sich mit den viel älteren- Inschriften der südetruskischen Sarkophage, die ebenfalls auf dem Rande des Deckels oder des Kastens derselben geschrieben sind. Auf Bronzespiegeln hingegen war die Schrift bestimmt durch den von der Zeichnung des Bildes freigelassenen Raum, und nach Gestalt und Ausdehnung desselben bald wagerecht, bald schräg, bald senkrecht, bald halbkreisförmig von rechts nach links oder von links nach rechts geschrieben. Daher hat die einge- ritzte Schrift der Bronzespiegel die Regelmässigkeit der eingemeissel- ten Inschriften von Aschenkisten und Sarkophagen im Ganzen nicht erreicht, und in derselben findet sich eine überaus grosse Mannig- faltigkeit und Freiheit in der Behandlung der Buchstabenformen, die zum Theil in eine fahrlässige Cursivschrift ausgeartet ist (T. III, 24). Der im Ueberfluss vorhandene Raum des Thonziegels für eine Grabschrift, setzte den Ausschreitungen und Abschweifungen des Spitzgriffels keine Grenze, die ihm als Regulator dienen konnte wie dem Meissel der Rand der Aschenkiste oder des Sarkophags, und

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auf der coiivexen oder concaven Fläche der Thongefässe waren mittelst des Spitzgriftels noch schwerer regelmässige Buchstaben her- zustellen als auf der ebenen Fläche der Grabziegel. Daher finden sich auf Thonziegeln und Thongefässen die unregelmässig- sten und nachlässigsten Buchstabenformen. Dazu kam wohl auch^ dass auf den geringen Stoff die Arbeit des Einschreibens am schlech- testen bezahlt, also auch am eiligsten und fahrlässigsten verrichtet wurde.

Trotzdem aber, dass die Etruskische Schrift mitbestimmt ist durch das Werkzeug mit dem sie geschrieben ist, und durch Stoff und Form des Gegenstandes an dem sie haftet, ist doch unverkennbar, dass sie in der letzten Zeit ihres Bestehens entartet ist, einer- seits durch Abkürzung und Abrundung der Buchstabenformen aus Bequemlichkeit, andererseits durch Verschnörkelung derselben aus einem bewussten Haschen nach ganz besondrer Zierlichkeit. In meh- reren Etruskisch-Lateinischen Bilinguen, die aus dem Zeitalter stam- men, als die Lateinische Schrift bereits im Begriff war die Etrus- kische zu verdrängen, tritt diese Entartung der Etruskischen Schrift deutlich hervor.

Da die Etrusker mit Griechen und Römern in vielfachen Ver- § 1 1. kehrsbeziehungen standen, so ist eine Einwirkung der Schrift dieser V()lker auf die Etruskische Schrift begreiflich. Nun finden sich in Etruskischen Inschriften, die meist der jüngeren Periode angehören. Buchstabenformen, die dem altetruskischen Alphabet fremd sind; so das griechische A für das Itahsche U=l in Ulis = Lat. Ulixes (F. 2547), Lernei (F. 856) neben Lerni (F. 2566), lusni = Gr. Xv%vCa (F. 1050. s. unten § 118), L. Lepalial (Verf. Bull d. Inst. 1871, p. 214 f. s. unten § 288). In manchen Fällen scheint A das aus der Umbrischen Schrift aufgenommene Zeichen für m zu sein (Fahr. 406. 404. 413. Frim. supplem. d. a. iscr. It. p. 20 f.). An an- deren Stellen ist die Ueberlieferung oder die Geltung des A unsicher. Ebenso erscheint in Etruskischer Schrift M für Itl = m (Con. Mon. Fer. IV, n. 136. Gerh. Etr. Spieg, T. CCXV. CCCLIV, 2. CCCXXII, 1. F. 478. 1070. 2481), <{ ^ für <1 S = r in Wandinschriften der Gräber von Vulci und Orvieto und sonst (T. II, 16. 17. F. 2493. 2590. 2554), Buchstabenformen, die sowohl Griechisch als Lateinisch sind. Da die Etrusker so vielfach Griechische Kunstwerke nach- ahmten, auf denen Griechische Inschriften geschrieben stand'en, so ist der Schluss naheliegend, dass aus diesen G^riechische Buch- stabenformen in die spätere Etruskische Schrift aufgenom- men wurden. Man wird die Buchstabenform R = a auf Gefässen von Capua und Nola Oskischem Eiufluss zuzuschreiben geneigt sein;

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aber diese Form findet sicli auch auf Spiegeln des eigentlichen Etru- riens (Gerh. Etr. Spieg. T. CDIII, 1. V, 61. F. 2505, 3. 2490). Sicherlicli Lateinisch ist die Buchstabenform 1 1 = e in der von links nach rechts geschriebenen Inschrift eines Grabziegels (F. 976). Auch diese Richtung der Schrift wird man also Eömischem Einfluss zuschreiben müssen, ebenso wie die rechtsläufige Schrift anderer Etrus- kischen Inschriften entschieden später Zeit (F. 452. 283. 721, 2j a).

4. Verdrängung der Etruskischen Schrift.

§ 12. Dass die Lateinische Sprache schon im Zeitalter der

' Punischen Kriege und des Ennius nach Südetrurien einge- drungen war, hat die Lateinische Epigraphik nachgewiesen aus Wortformen altlateinischer Inschriften, die auf Gefässen und Bronze- spiegeln in Etruskischen Gräbern von Vulci, Orte, Orbetello, Cervetri und Corneto gefunden worden sind (Monims. C. I. L. I, 43 50. 53. p. 23. Gesch. d. Böm. Münzw. S. 274 f. Bull. d. Inst. 1871, 2). 153 f.). Ein Beleg dafür ist auch die Aufschrift Casnio in alt- lateinischer Schrift auf einer thönernen Amphora von Yiterbo, die ich dort im Hause Bazzichelli am 10. Juli 1870 abgezeiclinet habe (Fahr. Frim. supplem. d. a. iscr. It. n. 381). Das ist die altlateinische Nominativform des Etruskischen Familiennamens Casni (F. Gl. It. p. 795 f.)y die demselben Zeitalter angehört wie die Altlateinischen Formen pocolom, Gabinio u. a. in den genannten Gefässinschriften Etruskischer Gräber. Und während diese nur beweisen, dass in. die- ser Zeit Arbeiten Lateinischer Künstler und Handwerker mit altlatei- nischen Inschriften in Etrurien Eingang fanden, lehrt die Aufschrift Casnio, dass im Zeitalter des zweiten Punischen Kriegs schon einheimische Etrusker angefangen hatten, sich der Latei- nischen Schrift statt ihrer einheimischen zu bedienen. Das . wird bestätigi durch die Lischrift eines Ziegels von Montepulciano in Etruskischer Sprache aber altlateinischer Schrift, Conest. Iscr. Fir. Lat. T. Vly 30. F. 960: Ye Visnie Velos, die, wie weiter unten nachgewiesen werden wird, bedeutet: Velus Visinius Veli filius. Velos konnte die Etruskische Genitivform Velus nur geschrieben werden in einer Zeit, da die Enduno- -os des Nom. Sino\ von 0-stäm- men im Lateinischen statt des späteren -us noch gebräuchhch war, also vor der Zeit des Senatsbeschlusses über die Bacchanalien.

Aber auch nachdem aie Etrusker ano-efangen hatten die Latei- nische Schrift anzuwenden, blieb daneben doch noch längere Zeit die einheimische Etruskische Schrift in Gebrauch. Aus dieser

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Zeit sind uns Inschriften in Lateinischer Schrift erhalten, welche den Kampf zwischen Etruskischer und Lateinischer Sprache in Etrurien seit dem Zeitalter der Syrischen und Makedoni- schen Kriege bis in die älteste Kaiserzeit bezeugen. Dies sind erstens Lischriften in Etruskischer Sprache aber in Lateinischer Schrift, welche die altlateinischen Buchstabenformen A = a, II = e und I ' ^ f aufweisen neben einzelnen Etruskischen Buchstaben, namentlich O = th (F.. 855. 959. 282. 935. 975. 283. 250. 952. 958. 556. 952. 2008. Con. Mon. Ter. IVy n. 760. Fabr. Prim. supplem. n. 154. 156. 158. 159. 161. 251, 3, a. h. n. o. aa dd)^ und in die Etrus- kischen Namen zum Theil die Römische Art der Personenbe- nennung einmengen (F. 855. 952. 958. 2008). Nur diejenigen unter diesen Inschriften mit dem Buchstaben /X haben ein Kennzeichen älteren Ursprungs als die Zeit der Gracchen; die Schrift der übrigen weist auf das Zeitalter der Römischen Bürgerkriege und des Augustus hin. In einer zweiten Klasse der in Rede stehenden Inschriften mit Latei- nischer Schrift sind Etruskische Namensformen mit Lateinischen Wörtern so vermengt (F. 1018, 2, e. 2649. 960. 128. Fahr. Prim. suppl. n. 155. 157), dass diese Schriftstücke das Ansehen von Sprachdenk- mälern einer Etruskisch- Lateinischen Mischsprache haben, etwa wie das heutioce Englisch -Deutsche in Nordamerika oder wie das Italienisch -Deutsche in der Mundart der Sette communi. Dazu kommen drittens Inschriften in Lateinischer Schrift und Sprache, in denen sich zum Theil noch die Etruskische Weise der Per- sonenbenennung, namentlich der Muttername im Ablativ oder eine sonstige Bezeichnung der Herkunft von der Mutter oder der Etrus- kische Ehefrauname erhalten hat (F. 1887, 2, c. 2004. 1242. 2021, Con. Mon. Per. IV, n. 728. Fabr. Prim. suppl. n. 251. 251, 3, c. d. f Ic. q. r. V. z. ee). Auch die beiden zuletzt genannten Klassen von Inschriften stammen aus der Zeit von den Gracchen bis auf Augustus. An diese Lateinischen Inschriften, die entweder Etruskische Sprache oder doch Reste derselben enthalten, welche bezeugen, dass sie noch gesprochen wurde, schliessen sich die eigentlichen Etrus- kisch-Lateinischen Bilinguen an, das heisst Grabschriften, in denen ein und derselbe Verstorbene sowohl in Etruskischer Sprache mit einheimischer Personenbenennung als in Lateinischer Sprache mit Römischer Benennungsweise genannt ist (F. 1888. 936. 792. 253. 794, 2. 980. 793. 69. 1496. 794. 460. 251. 252. C. I. Lat. I, 1346. 1349. 1357. 1368. 1392. 1397. F. LaUes, Osserv. sojyr. l. iscr. bil. Ftr. Lat. Bendic. d. Ist. Lomb. Vol. IV, fasc. XVII). Dass keine dieser Bilinguen vor der Zeit des Cicero und Augustus geschrieben ist, muss man daraus schliessen, dass der Lateinische

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Text derselben keine einzige Buchstabenform enthält, die auf eine ältere Zeit hinwiese.

Es hat sich also ergeben, dass schon seit dem Zeitalter der Panischen Kriege die Lateinische Schrift bei den Etruskern Eingang fand. Nach dieser Zeit bezeugen Lateinische Inschrif- ten in Etruskischer Sprache mit Lateinischer Beimischung, in Etruskisch-Lateinischem Sprachgemisch und in Lateini- scher Sprache mit Etruskischen Nachklängen, dass die Etrus- kische Schrift und Sprache von der Lateinischen mehr und mehr verdrängt wurde. Doch lehren die Etruskisch-Lateini- schen Bilinguen, dass in der ältesten Kaiserzeit die Etrus- kische Schrift noch im Gebrauch war neben der Lateinischen. Anderweitige Untersuchungen haben ergeben, dass die Lateinische Schrift bei den Volskern von Velitrae schon im Zeitalter des ersten Samniterkrieges Eingang fand (Verf. Äusspr. Ilj 118), bei den Sabel- lischen Stämmen in der Zeit zwischen dem zweiten Samniterkriege und dem Syrischen Kriege (a. 0. II, 117), bei den Umbrern in der Periode zwischen diesem und der Gracchenzeit (a. 0. II, 123), bei den Oskern seit dem Zeitalter der Gracchen (a. 0. II, 114). Nach Etrurien drang also die Lateinische Schrift früher vor als nach Um- brien, so weit unsere bisherigen Mittel der Forschung reichen; aber die Etruskische Schrift und Sprache war noch zur Zeit des Cicero und Augustus im Gebrauch ebenso wie die Oskische (a. 0. S. 116). Eine Etruskische Inschrift aus späterer Zeit ist nicht mehr erweislich, und zahlreiche ächtlateinische Inschriften Etruski- schen Fundortes aus jenem Zeitalter zeigen, dass damals die Etrus- kische Schrift in der That schon durch die Lateinische in den Hinter- grund gedrängt war, und in den Bilinguen sich nur noch ein letzter Rest von Anhänglichkeit der Etrusker an ihre ein- heimische Schrift und Sprache erhalten hat, nachdem in den Römischen Bürgerkriegen das Etruskische Städtewesen und Gemeinde- leben vernichtende Schläge erlitten hatte.

5. Abgekürzte Schreibweisen.

§ 13. Die Etruskische Schrift wendet drei Arten von abgekürzten

Schreibweisen an:

1. Die Verbindung von Buchstaben, durch welche sich der Schreiber mindestens einen Strich derselben spart, das Mono- gramm.

2. Die Bezeichnung häufig wiederkehrender, bei dem Leser als bekannt vorausgesetzter Wörter nur durch einen Theil

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der Buchstaben ihrer Schriftzeichen^ namentlich durch die Anfangsbuchstaben, am meisten angewandt ai^^f Vornamen. 3. Die Bezeichnuncr eines Wortes durch ein Wortzeichen statt durch Lautzeichen, nämlich des Zahlwortes durch die Ziffer.

Buchstaben verbin düngen, bei denen wenigstens ein Strich gespart ist, finden in der Etruskischen Schrift hauptsächlich zwischen solchen Buchstaben statt, die sich leicht zum Monogramm vereinigen lassen, meist von zwei, selten von drei Buchstaben.

Folgende zwei Buchstaben werden zu einem Monogramm ver- bunden, so dass ein Strich beiden gemeinsam ist:

al, Con. Iscr. Etr. T. XXIV, 98. XXV, 97. XXVI, 102. XXXVIII, 142. Prcf. p. CVf. F. 1011, 3 n. 2146. 2570,3.

an, Con. Mon. Per. IV, T. LX, 1. F. T. XXXVI, 1517.

au, Con. Iscr. Etr. Fir. T. LXIII, 224. XLIV, 154.

at, a. 0. T. LVI, 195.

ath, i^. Gl It. p. 785.

ar, Con. Iscr. Etr. Fir. T. LXIII, 224.

na, a. 0. T. IX, 40. XVIII, 69. F.

np, a. 0. T. LVI, 195.

mt, CL 0. T. XLVII, 164.

me, a. 0. T. XXXVIII, 142.

te, a. 0. T. XXVIII, HO. Gerhard, Neuerioorh. Denhn. d. Mus. z. Berlin, T. II, 1617.

ut, Momms. ünt. Dial. S. 316, n. 15.

Seltener sind drei Buchstaben zu einem Monogramme ver- bunden, so dass immer je zwei auf einander folgende einen Strich gemeinsam haben; so:

ana, F. t. XXXIV, 1011, 2, k

nal, a. 0.

tan, Con. Iscr. Etr. Fir. Lat. t. V, 24, p. 239.

tun, F. 2174. 2189.

pun, F. Gl. p. 115.

Zufällige Berührungen der Endpunkte von Schenkeln verschie- dener Buchstaben, bei denen kein Strich eines Buchstaben gespart ist (Con. Iscr. Etr. Fir. pref. p. 105 f.), sind keine ächten . Mono- gramme, bleiben daher hier aus dem Spiele.

Auch in der altlateinischen Schrift- sind liäufig zwei, seltener drei auf einander folgende Buchstaben zum Monogramm verbunden (Ritschi, Prise. Lat. mon. epigr. p. 114 f.), ebenso in der Oski sehen (Cipp. Ahell. Momms. Unterit. Dial T. VI).

CoRSSEN, Etruskische Sprachdenkmäler, 3

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§ 14. Abgekürzte Schreibweisen, bei denen der Schreiber ganze

Buchstaben spart, werden am meisten angewandt auf Vornamen, seltener auf andere Namen, oder auf häufig wiederkehrende Gat- tungswörter und Redewendungen.

Die Etruskischen Vornamen werden durch einen, zwei oder drei Buchstaben bezeichnet, nie ohne den Anfangs- buchstaben. -

Der Vorname wird durch den Anfangsbuchstaben allein bezeichnet in:

A. = Aule, Lat. Aulus, F. Gloss. p. 7. Prim. stippl. p. 117. C. = Cae, Lat. Gaius, F. Gloss. p. 706. Prim. siippl. p, 123. F. = Faste, F. 1923. F. = Fastia, F. 353. 354. Th. = Thanas, F. 743, h. 501, 2, e. s. unten § 99. Th. = Thana,

Thania, F. Gloss. p. 613 f. L. = Lart, Larth, Lat. Lars, F. Gl. p. 979 f. 1001 f. Prim. suppl.

p. 126. L. = Larthia, F. Gl. p. 980. M. = Marce, Lat. Marcus, F. Gl. p. 1089. n. 2166. Prim. suppl.

n. 434. R = Pupli, Lat. Publius, Con. Iscr. Etr. Fir. T. LVI, 196. F.

Gl. p. 1303. 1486. P. = Lat. Publia, F. 1014, 3. s. unten

§ 168. 219. R. == Ramthu in der Inschrift einer Grabsäule von Perugia im

Museum zu Neapel (Catal. d. Mus. naz. d. Nap. p. 34, n. 116)

nach meiner Zeichnung am 8. Juni 1870: Arnths R. Puplna.

F. 2360. R. = Ramtha, F. 2600, e. S. = Sesths, Lat. Sextus, F. p. 1565. n. 2033, 2, p. 6, c. Prim.

suppl. n. 433. V. = Velus, Velu, Vele, V. = Velia, F. Gl. p. 1877 f.

So. sind im Lateinischen Vornamen bezeichnet: A. = Aulus, C. = Gaius, D. = Decimus, L. = Lucius, M. = Marcus, M'. = Manius, P. = Publius, Q. = Quintus, T. = Titus, im Um- brischen K. = L. Gaius, L. = L. Lucius, T. = L. Titus, V. = L. Vibius (Fabrett. Nom. personal. Ital. p. 13. Iscr. Umhr. in Fossato dl Vico, p. 7. 8. 9. 13. Verf. Z. f. vergl. Spr. XX, 82 f. 93), im Oski- schen: G. = Gaviis, L. Gaius, D. = L. Decius, L. = Luvikis, L. Lucius, N. = Niumsis, P. = L. Publius, T. = L. Titus, V. = Viibis, L. Vibius (Momms. Unter ital. Dial. p. 241 f. Verf. Z. f vergl. Spr. XVIII, 253. 254. Fahr. Nom. pers. Ital. p. 13), im Sabellischen L. = L. Lucius, V. = L. Vibius (Momms. a. 0. S. 342. Verf Z. f vergl. S}^'. IX, 170).

Häufig ist im Etruskischen der Vorname durch die beiden ersten Buchstaben bezeichnet:

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Ath., Ai = L. Attus, F. Ol. p. 40 f. 195. Prim. supj)l. n. 144. 145. 178. 196. 219. 138. 141. 146. 173, 2, m. u. a. vgl. p. 117. Ac. = L. Acca, F. 259,2. Etr. Accha, F. 1914, B, 18—19. Ar. = Arunth, Arnth, L. Aruns*), F. Gl. p. 147. Prim. suppl.

p. 118. Ar. = Arntliia, F. Gl. p. 149. n, 1888. Au., Av. = Aule, Lat. Aulus, F. Gl. p. 209. Prim. sui^pl. p. 119.

Au. = Aula F. p. 210 f. Fa. = Fast-e, Fa. = Fastia, F. Gl. p. 427 f. Fl. = L. Flava, F. 347. Gl. p. 489. He. = Osk. Sabell. Vorn, Herius, F. Gl. p. 567. 582 f. vgl Fahr.

Nom. pcrs. Ital. p. 6. Tha. Ta. == Thniia,Th'dnia,, F. Gl. p>. 613 f. 1746. Prim. sttppl.p. 122.

Tha. = Thanas, Gen. Sing, masc, F. 394. s. unten § 99. The. = Thefri, L. Tiberius, F. 2396. Con. Mon. Per. IV, n. 296. Ca. = Cae, L. Gaius, F. n. 707.

Chn. statt Cn. = Cneve, Lat. Gnaevus, F. 89, 2. s. unten § 55. La. = Larth, L. Lars, F. Gl. p. 981. La. = Larthia, F. p. 983.

vgl. Prim. suppl. p. 126. Pu. = L. Publius, F. 1055,2. 1579. s. unten § 218. Ra. = Ramthu oder Ramthas, F. 2122. 2125. s. unten § 98. 106.

107. Se. = Sesths, L. Sextus, wie Volsk. Se. F, p. 1608 f. vgl. Prim.

suppl. p. 133. Ve. = Velus, Velu, Vels, Vels, Ve. = Velia, F. p. 1893 f."""").

Das ist dieselbe Bezeichnung des Vornamens wie Lateinisch: Ap. = Appius, Cn. = Gneius, Sp. = Spurius, St. = Statins, Ti. = Tiberius, Tr. = Trebius; Oskisch: Cn. = L. Gneius, Ma. = L. Magius, Mi. = L. Minius, Minatius (?), Ni. = Ni- umsis, No. = L. ^Novius, Ov. = L. Ovius, Tr. = Trebiis

*) Ich vermag nicht zuzugeben, dass Ar. jemals einen Vornamen Arrius bedeute. Etr. Aris, Aria kommen nur als Familiennamen vor (F. S66 873), nirgends erscheint eine derartige ausgeschriebene Namensform in Etruskischen Inschriften als Vorname. Ebenso ist Lat. Arriu^, Arria Familienname, nicht Vorname. Dasselbe gilt von Lateinischen Inschriften mit Etruskischer Personen- benennung; in F. 950: Arria Thana, ist Arria Familienname, Thana nachge- stellter Vorname; in F. 949: Aria Bassa, ist Aria ebenfalls Familienname und Bassa Zuname wie Bassus; in F. 2019: Area Pedroca, ist Area gleichfalls Familienname, Pedroca Zuname wie Bassa. Einen Grund, weshalb Ar. nicht überall Arunth, Arnth bedeuten soll, und Ath^ nicht überall Attus, habe ich nicht aufzufinden vermocht.

**) Unsichere Anfangsbuchstaben von Vornamen sind: Af. F. 812. Gl.p.32. An. F. Gl. 2). 102. Ap. F. Gl. p. 133. As. F. 42ü. ISGl. Gl. p. ISO. Sa. F. Gl. p. 1566. Va. (s. unten § 57).

3*

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(Momms. Unferit Dial p. 'Ml f. Verf. Z. f. vergl Spr. XVIII, 253. 264. Fahr. Nom. pers. Ital. p). 13) -^ Sabellisdi: Sa. = Salvius, As. = Asinius (?) (Momms. a. 0. p. 342. Verf. a. 0. IX, 170)-, -Yolskiseh: Ca. = L. Gaius^ Ec. = L. Egnatius^ Ma. = L. Manius, Se. = L. Sextus (Momms. a. 0. p. 325. Verf. De Volscor. ling. p. 5. Fahr. Nom. pers. Ital. p. 13).

Seltener ist im Etruskischen die Bezeichnung des Vornamens durch zwei Consonanten desselben oder durch Consonanten mit nicht unmittelbar folgendem Vokal:

Thn. = Thana, F. 332. 1291. Gl. p. 629.

Lth. = Larth, F. Gl. p. 1050 f Frim. suppl p. 128. Lth. = Lar-

thia, F. Gl. p. 1052. Lr. = Larth, F. Gl. p. 1072. Ls. = Laris^ F. Gl. 1073. Frim. suppl. n. 284. 311. Ls = Larisa,

F. 440, 2, e. Con. Mon. Per. IV, n. 407""). Lch. = Lachus, F. 322. 1221. 1824. 1873. Frim. suppl. n. 278.

Con. Mon. Per. III, n. 309''''). Sth. = Sethre, F. 528. 689,2. F. 1615.

VI. = Velus, Velu, Vele, F. Gl. It. p. 1980. Prim. Suppl. p. 139. Li. = Laris, F. 2348. 2370. 2378. 2754, a. s. unten § 228.

, Von derselben Art sind die Oskischen Bezeichnungen von Vor- namen: Km. = L. Cominius, Mh. = L. Magius, Mr. = Maras, Nv. = Novius^ PL = Pakis^ L. Pacius (Momms. ünterit. Dial. p. 241 f Verf Z. f vergl. Sp^r. XVIII, 253. 254).

Bezeichnungen des Vornamens durch drei Buchstaben sind: Aul. = Aule^ i^. 1159. 1299. Prim. suppl. p. 119. Lal. = Lalus, F. 1268. 203. F. Gl. It. p. 993. 995. Lar. =Larth, F. p. 1002. Prim. suppl. p. 126. Lar. = Larthia,

F. 547. Lthi. = Larthia, Larthi, F. 2415. 1531. 684. Man. = L. Manius, F. 1899, in der Inschrift eines Cippus von

Perugia im Museum zu Neapel nach meiner Abschrift am

8. Juni 1870: Man. Sechis Capzna Hermial Capznasl

(s. unten T. IV, 2). Num. = Numas, L. Numae (F. Prim. suppl. n. 518. Con. Mon. Per.

IV, 276. s. unten § 58. 249).

*) Lb. kann unmöglich Lartli bedeuten, da dieser Name ja kein s enthält. Die Nominativfoi-m Lars ist Lateinisch, aber nicht Etruskisch (s. unten § 97).

**) Hingegen ist Lch. F. 1085 Abkürzung des weiblichen Familiennamens Lachumnia, F. 1083, ebenso wie Lachu, F. 1896.

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Pup. = Piipli, L. Publius/ F. 1496. Tit. = Tite, L. Titus, s. unten § 208. 284. Rav. =^ Ravnthus, Ravnthu, F. 342.

Vel. = Velus, Velu, Vels, Vel. = Velia, F. Gl. p. 1903. Prim. suppl. p. 137.

Eben solche Abkürzungen des Vornamens sind in Lateinisclier Schrift: Her. = Herius, Nov. = Novius, Min. = Minatius, Opi. = Opiter, Pac. = Pacius, Paq. = Paquius, Pia. = Plau- tius, Sta. = Statins, Sex. = Sextus, Tit. = Titus (BitscJil, Prise. Lat. mon. epigr. p. 115. C. I. Lat. Ind. vocab. Orell. Henz. III, Ind. I. Nomin. p. 1); im Oskischen: Dek. = L. De eins, Mai. = L. Ma- gius (Momms. a. 0.); im ümbrischen: Ner. = L. Nero (AK. Unihr. Sprd. II, 391).

In der Etruskischen Schrift sind also dieselben Weisen der Ab- kürzung von Vornamen gebräuchlich w^ie in der Lateinischen, Oski- schen, Sabellischen und ümbrischen. Die Etruskischen Schriftgelehrten haben die gleich anlautenden Vornamen ebenso bestimmt unterschie- den wie die Römischen, also: A. Au. Aul. = Aule von Ath. At. = L. Attus und Ar. = Arnth, F. Fa. == Faste, Fastia von' Fl. = Flava, Th. Tha. Thn. = Thana, Thania von The. = Thefri, L. Tiberius, L. La. Lr. Lth. Lar. = Larth*), Larthia von Ls. = Laris und von Lch. = Lachus, M. = Marce, L. Marcus von Man. = L. Manius, R. = Ramthu von Rav. = Ravnthus, S. Se. = Sesths, L. Sextus von Sth. == Sethre. Häufig werden die Vornamen im Etruskischen aber auch vollständig ausgeschrieben wie im Oskischen (Momms. a. 0.) und seltener im Lateinischen (C. I. Lat. I, p. 641. e. 4).

Auch Familiennamen werden in der Etruskischen Schrift ab- § 15 gekürzt geschrieben, zum Beispiel: Avein (F. 1599) für Aveinas (F. 1634), Clen. für.Clensi (F.'^l.p. 865 f.), Lachu. (F. 1896) Lch. (F. 1085) für Lachumni (F. 1083. Gl.p. 1038), Lau. (F. 1896) Laut. (F. Prim. suppl. n. 339) und häufig Lautn: Lau thn. für Lautni (F. Gl. p. 1029. 1036 f. Prim. suppl. n. 260), Mu. (F. 185) für Mur- cuni oder Musclena (F. Gl. p. 1199. 1201), Ti. für Titi, Lat. Titius (F. Gl. p. 1808), Vi. für Vipis (F. Gl. p. 1957), Salv. für Salvi (F. 1739), Velch. für Veichei (F. 1238. 687, 2, a. s. unten § 22), Vi für Veti (Con. Mon. Per. III, n. 62), Vet. für Vete (s.

*) L ath, Lat für Lartli,Lart, F. Gl. It. p. 988 f. 1021 f. sind nicht äbgekiU'zte Schreibweisen, sondern durch Ausfall des r entstanden^ wie Lathi, Lati, La- thial. Ebenso ist Arth, F. 1263. 1262. 252, nicht Abkürzung für Arnth, son- dern durch Ausfall des n entstanden, wie Arthai, Arthial. Arnth. für Arnthia, Arnthi, F. 1694:. Co7l Mon. Per, IV, 530, ist vereinzelt.

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unten § 57), Lee. für Leciie (F. 2308. s. unten § 57), Rec. für Re- cimna (F. 2304. s. nuten § 57), Petr. für PetruDi (Con. 3Ion. Per. IV, n. 126), Raf. für Rafi (a. 0. n. 150), Ful. für Fuluui oder Fulni (F. Prim. supinl. n. 255), Pep. für Pepnas (a. 0. 2). 112. n. 2078), Pia. für Plautrias (a. 0. n. 145. 167) u. a. Mitunter ist der Familienname wie die Vornamen nur durch den Anfangsbucli- staben angedeutet^ wie F. 2619, 2: L. P. P. und F. Prim. siqypl. n. 457 : S. V. P. Solche Abkürzungen legen natürlich der vollständigen Erklärung Etruskischer Inschriften mehrfach unübersteigliche Hinder- nisse in den Weg. Auch in der Lateinischen Sckrift sind die Familien- namen in mannichfacher Weise abgekürzt geschrieben (Bitsclü, Prise. Lat. mon. ei)igr. p. 115 f. G. I. Lat. Ily p. 777. mm. rat).

Von den Zunamen sind die Abstammungsnamen auf -al mehrfach abgekürzt geschrieben; so Arnthl (F. Prim. suppl. n. 179, 2, c.) für Arnthal, Larthl (a. 0. n. 437) für Larthal, Piutl (a. 0. n. 167, 2) für Piutal, Athl für Athal (F. 209), Anthl für Anthual (F. T. XXVIII, 440, 2, e. Gl. p. 2043), Satnl für Satnal (F. Gl. 2). 1604), Tuzl (F. 321, 2) für Tuzal, Namultl {F. 1630. 816) für Namultal, Tutnl für Tutnal (F. 516), Capznasl (F. 1899. s. oben S. 36) für Capznasal, Alf. für Alfnal (F. 1011, 3, e. f. vgl. 1011, 3, e. (l), Eslz (F. 2057. 2335 a.) füi* Esals (Bull d. Inst. a. 1869, p. 172. 173). Cp. ist Sigle des Zunamens Caspu = Lat. Caspo (F. 310. 308. 312). Zunamen werden auch im Lateinischen vielfach abgekürzt geschrieben (Bitschi, a. 0. C. I. Lat. a. 0.).

Auch Gattungswörter, die sich oft wiederholen^ sind in Etrus- kischen Inschriften mehrfach abgekürzt worden in der Voraussetzung, dass diese Abkürzungen jedem Etruskischen Leser auf den ersten Blick verständlich waren. So sind abgekürzt die Nominalformen c. cl. cla. ein. clan. für clant (F. Gl. p. 707. 852. 854. 870. s. unten § 40), see. sec. seeh. sech. für sechi (s. nntcn § 42), pu. für puia (F. 594. Gl p. 1473. s. unten §41), r. für ril (F. Gl p. 1519. 1547 f. Prim. suppl. j). 132. s. unten § 88), avl für avils, avil (F. 2273. s. unten § 88), zil. für zilaehnu, zilchnu (Bull cl Insl a. 1869, p. 195. s. Knien § 199), und die Verbalformen sthi. für suthi, trce. für turce, lupu. für lupuce, sva. fiir svalce (s. unten § 208. 218. 224. 240). Der Beweis für diese Abkürzungen kann erst unten durch die Erklärung der Inschriften gegeben werden, in denen sie vorkommen. Dass die Wörter ganzer oft wiederkehrender For- meln im Etruskischen abgekürzt, nur mit den Anfangsbuchstaben geschrieben wurden, dafür ist ein besonders einleuchtendes Beispiel die^ Sarkophaginschrift von Corneto Verf. Z. f. vergl Spr. XX, 91, 92:] Seurna M, A. Maru m. t. z. p. ril XXXXV, deren theilweise

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Erklärung weiter unten gegeben werden wird (s. unten § 62). Die Etruskische Schrift weist also auch hier dieselben Arten der Abkür- zung auf wie die Lateinische.

Auf Etruskischen Münzen findet sich der Name der Stadt, in der sie geprägt sind, abgekürzt geschrieben (Friedländerj Beitr. z. älteren Münzlcimäe, S. 163 f. Momms. Gesch. d. Rom. Münzwesens, S. 262. 268. 271. 272). So Tla. für Tlamun, Lat. Telamon, auf Kupfermünzen von Telamon mit Schiff und Kopf des Janus und eines anderen Gottes (Marchi et Tessieri, L'aes grave del miis. Kireher. Inc. T. F, 19. Carell. Nimi. Ital. T. IX, 1. 2.), Cha. = Lat. Camars, alter Name von Clusium auf gegossenen Kupfermünzen mit Rad und Anker im Museo Kircheriano (Marchi et Tessieri, a. 0. Cl. III, T. IX, 1 7), Puplun. für Pupluna auf dem Pariser Exem- plar einer Bronzemünze von Populonia mit Vulkankopf, Hammer und Zange (Mionnet, Descr. d. med. Supplem. T. I, p. 200, n. 43), Pupla für Pupluna auf einer Silbermünze von Populonia mit Gorgonen- haupt, Halbmond und Dreizack im Münzkabinet von Florenz, nach einem Staniolabdrucke von Friedländer. Von der Unsicherheit der Ueberlieferung imd der Bedeutung anderer solcher abgekürzten Münz- aufschriften wird unten die Rede sein (s. unten § 276 279). Auf den Etruskischen Münzen finden sich wie auf anderen Münzen viel- fach Buchstaben, die nicht Werthzeichen sind (Carell. Num. Ital. T. VII Fahr. 291 296 u. a. Momms. a. 0. S. 263. 264. 266. 267. 272); aber ihre Bedeutung ist zweifelhaft.

Zu den abgekürzten Schreibweisen der Etruskischen Schrift § 16. gehören auch die Zahlzeichen oder Ziffern, indem zur Bezeich- nung der Zahlwörter der Einzahl, Fünfzahl, Zehnzahl und Fünfzigzahl statt einer Buchstabenfolge die einfachen Schriftzeichen 1^1, A = 5, X = 10, T == 50, die Ziffern der übrigen Zahlwörter von 1 99 aber durch Zusammensetzungen dieser einfachen Zahlzeichen gebildet werden, bei denen die Etruskische Schrift die Richtung von rechts nach links bewahrt wie überwiegend in der Buchstabenschrift. Folgt in diesen Zusammensetzungen das Zahlzeichen der kleineren der Ziffer der grösseren Zahl, das heisst, steht es links von derselben, so fügt es der Zifter der grösseren Zahl so viel Einheiten hinzu, als es an- zeigt, ist also additiv; geht die Zifier der kleineren Zahl dem Zeichen der grösseren vorher, steht also rechts von diesem, so zieht sie von demselben so viel Einheiten ab, als sie bedeutet, ist also subtractiv. Um die Zahlzeichen der Fünfzahl und der Fünfzigzahl von dem Buch- staben für die Laute v und ch zu unterscheiden, stellten die Etrusker jene auf den Kopf und schrieben A und ^ statt V und 4^. Da sie den doppelten Laut es nicht durch den Buchstaben; X bezeichneten

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wie die Lateinisclie Schrift, sondern durcli ^>, so verwandten sie jenes Zeichen unverändert als Ziffer der Zehnzahl.

Wir kennen diese Etruskischen Ziffern hauptsächlich aus den Ancmben der Lebensjahre von Verstorbenen auf Aschenkisten und Sarkophagen und als Werthzeichen von Münzen; nur selten finden sie sich auf Gefässen. Die Ziffern von 1 19 sind also:

I. II. MI. INI = AI.

A. lA. IIA. IIIA. XI.

X. IX. MX. IIIX. IIIIX = AIX. AX. lAX. MAX. IIIAX. IIIIAX = XIX. und die Ziffern der Zehner von 20 bis 80 sind: XX. XXX. XXXX = tX. t = T. Xt. XXt. XXXt. Die subtractiven Ziffern sind bei den Etruskern häufiger zur Anwendung gekommen als bei den Römern, zum Beispiel: XIIIXX (F. n. 254) = 21, XIIXXX (F. n. 322) = 38, tili (F. 2275. Frini. snppl n. 378) = 47, tXII (F. S25, 2 i) = 38 im Gegensatze zu MTX (F. 342) = 42. Unge- wöhnlich ist: IIIHIXXXt (F. 2106) = 86 auf einem Sarkophag von Toscanella, die höchste Zahl von Lebensjahren eines Etruskers, die ich gefunden habe.

In einen Karneol unbekannten Fundortes, jetzt auf der Pariser Bibliothek, ist die Gestalt eines Etruskischen Rechenmeisters eingeschnitten, der in der Linken eine Rechentafel hält, während er mit der Rechten nach den Rechensteinen auf einem Tischchen lang% vor dem er sitzt fF. T. XLIV, 2578. 3. Conesf. Bull. d. Inst. a. 1863, p. 153 f.). Auf der Rechentafel sind Etruskische Ziffern ver- zeichnet und zwar in der untersten Zeile A = 5 und 0 = 50, in der nächst höheren zweimal X = 10 und darüber zweimal A == 100 (0. Müller, Etrusk. II, 318). In der obersten Zeile stehen nach Cone- stabile zwei verschiedene Zahlzeichen, nach Micali und Hase zweimal dasselbe Zeichen, das sie aber unter sich und von Conestabile ver- schieden angeben, und Conestabile sagt, dass diese Zeichen nicht zweifellos seien (a. 0. p. 156). Da ich den Karneol nicht gesehen habe, so wage ich über diese Zahlzeichen nicht abzuurtheilen. Wahr- scheinlich ist es allerdings, dass dieselben entweder zweimal die La- teinische Ziffer CID = 1000 oder einmal diese und einmal L. CCDD = 10,000 in etwas abweichender Etruskischer Gestalt bedeuten.

Ziffern finden sich als Werthzeichen auf Etruskischen Münzen, und zwar bedeuten auf Goldmünzen, Silbermünzen und Kupfermünzen des älteren, dem Griechischen entlehnten Münz- systemes die Ziffern XX, X, A = 5 die Anzahl kleinerer Münz- einheiten, die jedes Geldstück enthält, das Zeichen n bedeutet V2 und lln 2V2 solcher Einheiten (Momms. Gesch. d. Fi'öm. 3Iimzivesens,

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S. 215 217. 200 202); auf den Kupfermünzen des späteren duo- decimalen Assystems der Etrusker ist I das Zeichen der grösseren Münzeinheit^ des As^ II des Dupondius, und die Anzahl der kleineren Münzeinheiten jedes Geldstückes wird durch kleine Kügelchen auf demselben bezeichnet wie in dem Römischen Uncialsystem (a. 0. S. 221. 220. 227. Marchi et Tessieri, L'aes gr.d. m. KircJi. T. III— XL Fahr. 201 f, 303).

Von den einheimisch Umbrischen Zahlzeichen ist uns nur eines erhalten, nämlich IIX (AK. ümhr. Sprd. t. Iguv. IIb, 2) = Etr. MX. Da aber das Umbrische Schwergeld von Tuder und Iguvium dieselben Bezeichnungen durch Ziffern für den As, Triens, Quadrans und Sextans aufweist wie die Etruskischen Münzen (Lcps. Inscr. ümhr. et Ose. T. XXIX), so kann man nicht zweifeln, dass die Umbrischen Ziffern mit den Etruskischen mindestens ebenso weit übereinstimmten Avie das Umbrische Alphabet mit dem Etruskischen.

Die Oski sehen Zahlzeichen kennen wir nur aus aufgemalten und eingeritzten Wandinschriften von Pompeji und aus Silbermünzen der Samniten aus dem Zeitalter des Bundesgenossenkrieges (Monims. Unterital. Blal S. 202. 312. T. XI, 29, a. h. 30, c. Fahr. 2820. Fried- länder, Die Oskisdien Münzen, S. 83 f. T. IX, X). Die erhaltenen, nach altoski scher Weise von rechts nach links geschriebenen Ziffern sind: II. III. HM. A. lA. MV. HIV. XI. X. IX. IIX. lAX. MAX. IIIAX. IIIIAX. IIXD. 00 = 1000. Das sind also" dieselben Ziffern wie die Etruskischen, und v/enn neben A = 5 auch V erscheint, so ist das Römischem Einflüsse zuzuschreiben^ da alle Sprachdenkmäler, in denen jene Ziffern vorkommen^ jünger sind als das Lateinisch geschriebene Oskische Gesetz der Tafel von Bantia (Verf. Ausspr. II, S. 114. 110. 2 A.). Die Oskischen Münzen weisen dieselbe Bezeichnung der Bruch- theile des As auf durchs Kügelchen wie die Etruskischen (Friedl. a. 0. T. IL IV. VII).

Die Etruskischen Ziffern der Einer und Zehner sind auch die- selben wie die altlateinischen, nur dass diese von links nach rechts geschrieben sind und die Buchstaben der Fünfzahl und Fünfzig- zahl nicht auf den Kopf gestellt haben. Also ist Etr. A = Lat. V und Etr. T = Lat. \l/, d/, _L, L. In der altlateinischen Schrift finden sich auch wie in der Etruskischen mehr subtractive Ziffern ange- wandt^ als später übHch bleiben; so IIX, XXC, CC0 (Ritsehl Frisc. Lat. mon. epigr. p. 113. 114. C. I. Lat. L, p. 013). ^

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6. Interpunction.

§ 17. Die Tiiterpoiictioii der Etrusker ist bereits früher von Fabretti

und Conestabile sorgtliltig behandelt worden (Fahr. Ärchivo storico Italiano, n. s. V, 2, j). 66 f. (Jon. Iscr. Etr. Fir. pref. p. 85 f.). Seit- dem ist durch zahh'eiche und wichtige Funde Etruskischer Inschriften die Grundlage für eine Untersuchung über dieselbe eine noch breitere und festere geworden.

Die Etrusker schrieben entweder ohne Worttrennung wie viel- fach die Griechen, selten die Römer (Ritschi, a. 0. p. 119 f.). Ihr Trennungszeichen war in der Regel der einfache Punkt oder der Doppelpunkt :; selten finden sich statt dessen drei Punkte :, noch vereinzelter vier :: oder fünf :•:, eine senkrechte gerade Linie I oder eine gebrochene Linie \, ?.

In Inschriften auf Kunstwerken und Denkmälern archaisti- schen Stils mit alterthümlichen Buchstabenformen herrscht bei Weitem die interpunctionslose Schrift vor; so auf Bronze- statuen und anderen Bronzewerken (F. 49. 256. 1929. 2601, 2), auf silbernen Bechern (F. 2405. 2406), auf Goldspangen (F. 806. 2184), auf Thongefässen (F. 296, S, h. 809. 809, 2. 2184, 2. 2404. 2605. 2609. 2609, 2), auf Grabsteinen (F. 49. 355. 467, 467, 3) und auf Grabsäulen (F. 2048. 2049. 2050. 1890). Bisweilen erscheint in derartigen Inschriften eine unregelmässige Wortabtheilung durch ver- einzelt gesetzte Punkte (F. 255. 2600, aa. 1009. 984, 2 a), nur selten eine regelmässige Interpunction durch den einfachen Punkt (F. 2614, 3. 2596), oder durch den Doppelpunkt (F. 267. 1084). Drei Punkte finden sich in diesen alten Schriftstücken niemals. Ohne Inter- punction oder höchst mangelhaft interpungiert sind wichtige Sprachdenkmäler von Perugia. Die Inschriften an der Thür und auf der Mehrzahl der Aschenkisten des Grabes der Velimnas sind ohne Worttrennung, ebenso die Aufschrift einer cannelierten Grabsäule auf runder Basis mit altetruskischen Reliefs (Con. Mon. Per. II, T. I ^VI. IV, T. V); ganz vernachlässigt und unregelmässig ist die Interpunction in der grossen Graburkunde auf dem Cippus von Perugia (a. 0. IV, T. I), während die Portalinschrift im Grabhause von Torre di S. Manno eine regelmässige Wortabtheilung durch den Doppelpunkt aufweist (a. 0. IV, T. V). In dem Erbbegräbniss der Tarchnas von Caere ist der einfache Punkt als Trennungszeichen ganz vorherrschend, auf den Wänden imd Sarkophagen der Nekro- polen von Tarquinii überwiegt hingegen der Doppelpunkt; aber daneben findet sich auch der einfache Punkt, oder die Wortabtheilung

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fehlt. Ebenso .schwankend ist die Orthographie in dem von Fran^ois entdeckten Grabe von Vulci und in dem Golinischen Grabe von Orvieto. Schwanken zwischen einfachem Punkt und Doppelpunkt zeigen auch die Aschenkisten von Volterra, Chiuf^i und Perugia; nur selten haben sie interpunctionslose Schrift. Alle drei Schriftarten sind vertreten auf den Grabziegeln und Aschenkisten von Florenz^ Montepulciano, Chianciano, Sarteano u. a. (venjl. Con. Iscr. Etr. Fir. T. V. XL XVIIL XX. XXL XXIL XXLLL XXV. XXVL u. a.).

Von dem dreifachen Trennungspunkte ; finden sich in den Inschriften Etriiriens nur wenige Beispiele (F. 2025. 2382. 754. T. XXVLLL, 430. Archiv, stör. Ital. V, 2, p. 62 f. Con. Lscr. Etr. Fir. T. LVLL, 199, 2. Mon. Per. LLL, T. VLL, 6a. VILL, 2), und in der zuletzt angeführten Inschrift von Perugia erscheint das Trennungs- zeichen : neben ganz S2:>äten und verschnörkelten Buchstabenformen. Wenn also von der Interpunction der Etruskischen Inschriften über- hau|)t irgend ein Schluss auf die Abfassungszeit derselben zulässig ist^ so zeugt das Fehlen der Worttrennung eher für ein hohes Alter derselben als der dreifache Trennungspunkt. Nur vereinzelte Lieb- habereien sind es^ wenn gelegentlich statt des Trennungspunktes ein senkrechter Strich I verwandt ist (Fahr. Arcli. stör. Ltal. V, 2, p. 68 f. Con. Lscr. Etr. Fir. T. XX, ' 8L vgl. T. VLLL, 30) oder auch eine gebrochene Linie ^^l (Fahr. a. 0. Con. a. 0. T. XXXX, 164. XXXXL, 147. LLV, 188). Solche Spielarten des Trennungszei- chens finden sich zahlreich in der altlateinischen Schrift (Ritschi, Prise. LmI. mpn. ejngr. p. 119 f.).

Der Trennungspunkt wird gelegentlich auch an das Ende der Inschrift gesetzt, avo er eigentlich zwecklos ist (Fahr. a. 0. p. 66 f. Con. Lscr. Etr. Fir. pref. p. 89). Er erscheint bisweilen auch fehlerhaft innerhalb eines Wortes gesetzt (Fahr. a. 0. Con. a. 0. p. 85). Dass der- selbe aber in der bewussten Absicht clDrt hingesetzt sei, um Bildungs- endungen vom Stamme oder von der Wurzel des Wortes, oder um den Artikel vom Hauptworte zu trennen, muss in Abrede gestellt werden, da man Steinmetzen, die ohne Bedenken ganze Inschriften und vier bis fünf Zeilen lange Sätze schreiben, ohne einen Trennungs- punkt zu setzen, ein grammatisches Bewusstsein oder ein feines Sprach- gefühl für den Unterschied von Stamm oder Wurzel und Bildungs- endung des Wortes nicht beimessen kann, und da es im Etruskischen weder einen Artikel noch eine Zusammensetzung von Artikel -und Hauptwort giebt, wie sich durch die folgenden Untersuchungen heraus- stellen wird.

In den Etruskischen Gefässinschriften von Nola und Capua findet sich etwa achtzehnmal die Schrift ohne Trennungszeichen,

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viermal der einfache Pimkt uiul nur einmal in einer sj^äten und schlecht überlieferten Inschrift (F. 2754, c) der Doppelpunkt. Kei den Campanischen Etruskcrn war also die ungetrennte Schrift die gewöhnliche wie auf alten Kunstwerken und Denkmalen des eij^ent- liehen Etruriens.

Die nordetruskischen Inschriften des Pogebietes und der Alpenländer weisen fast ebenso oft die ungetrennte Schrift auf als den einfachen Trennungspunkt fF. 1 63, h. Fr im. supplem. n. 1. 2. Frammenti cTiscriz. Etrusch. scop. a. Nizza, t. n. 1 5). Nur in zwei Tessiner und einer Steiermärkischen Insclii'ift finden sich drei Punkte : als Trennungszeichen (Momms. Norcletr. Älph. a. 0. S. 222. F. Gl. p. 2033), ganz vereinzelt vier :: (Verf. Bull. d. fyst. a. 1871. p. 214. F. Prim. supplem. n. 2. f. I, 2 ) und fünf :•: (F. 13. Momms. a. 0. n. 17). Diese beiden letzteren sind Spielarten des Trennungszeichens wie die oben in Inschriften des eigentlichen Etru- riens nachgewiesenen. Dem Trennungspunkte zwischen Buchstaben eines und desselben Wortes in den nordetruskischen Inschriften (a. 0. S. 222) vermag ich hier ebenso wenig eine grammatische Bedeutung beizulegen wie in den Etrurisch-Etruskischen Inschriften. Die nord- etruskischen Inschriften in Et ru skischer Sprache, von denen weiter unten die Rede sein wird, weisen die Schrift ohne Worttrennung auf. aber auch Interpunction (s. miten § 284 289).

Da also in den ältesten Etrurisch-Etruskischen, in den Campanisch -Etruskischen und in den nordetruskischen In- schriften in Etruskischer Sprache zusammengenommen die Schrift ohne Worttrennung überwiegt, so ergiebt sich, dass dies die gewöhnliche Schreibweise der alten Etrusker war, dass erst später der einfache Punkt und der Doppelpunkt die gewölin- lichen Trennungszeichen der Wörter wurden, und alle übrigen Zeichen zu diesem Zwecke nur ausnahmsweise zur Anwendung kamen.

In der altumbrischen Schrift ist der Doppelpunkt das regelmässige Zeichen der Worttrennung, wenn auch nicht überall angewandt (Leps. Inscr. Umhr. et Ose. T. I—XIII). Aber die Auf- schrift der Bronzestatue des Mars von Tuder im Etruskischen Museum des Yatican weist ungetrennte Schrift auf.

In der Oskischen Schrift ist der einfache Punkt das regel- mässige Trennungszeichen; bisweilen erscheint daneben der Doppel- pmikt, nur vereinzelt der dreifache ;, wie in den altsab ellischen Inschriften von Creccliio und Cupra] maritima (Momms. Unterital Bial T. II, XVII); selten findet sich die Schrift ohne Worttrennung (Momms, Unter lt. Bial. T. VI— XII. Fabr. 2743 2904. Archiv,

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stör. Ital n. s. V, 2, p. 59. Verf. Z. f. verrjl. Spr. XX, 97. 101. 109. 111. 115).

In der Lateinischen Schrift der altlateinischen Sprachdenk- mäler ist der einfache Trennungspunkt bei Weitem überwiegend; daneben erscheint aber doch mehrfach auch die ganz ungetrennte oder fast ganz un getrennte Schrift auf alten Bronzewerken, Schleuderbleien, Marken von gebranntem Thon, in cursiven Fompe- janischen Inschriften und selbst auf Steinen (PätscJd, Prise. Lat. mon. epigr. p. 119 120). Statt des einfachen Punktes kommen auch andere Trennungszeichen vor, unter ihnen vereinzelt der dreifache Punkt : (a. 0.). In den Lateinisch geschriebenen Stücken der Tafeln von Iguvium findet sich regelmässig der einfache Trennungspunkt (Lep)s. Inser. ünihr. et Ose. T. XIII XX); die Lateinische Schrift einer Volskischen Sprachurkunde von Velletri weist ebenso regel- mässig den Doppelpunkt auf (Momms. ünterit. Dial. T. XIV); die Lateinische Schrift des Sabellischen Cippus von S. Benedetto ist interpunctionslos (Ritschl, Prise. Lat. mon. epigr. T. XCVIII. Verf. Z. f vergl. /S^jr. IX, 160 f.).

Da nun also die ungetrennte Schrift in den ältesten Etruskischen Inschriften die herrschende ist, in alten Umbrischen, Oskischen und Lateinischen Schriftstücken sich findet, bei den Griechen sehr häufig, bei den Phönikiern überwiegend ist (Schroeder, Die Ph'öniz. Sprache, S. 76), so ist guter Grund zu der Folgerung vorhanden, dass bei den Italischen Völkern nach Einführung des Griechischen Alpha- bets in der ältesten Zeit die interpunctionslose Schrift im Allgemeinen die herrschende war (Fabr. Areh. stör. Ital. n. s. V, 2, p. 58. 60). In den uns vorliegenden Schriftdenkmälern der Etrusker, Umbrer, Osker, Sabeller und Latiner aber ist die Schrift mit Worttrennung die regelmässige geworden, und zwar überwiegt der einfache Trennungspunkt bei den Latinern und Oskern, der dop- pelte bei den ümbrern, die Etruskische Schrift schwankt zwischen beiden. Seit der Alleinherrschaft der Lateinischen Sprache wurde der einfache Punkt das regelmässige Trennungszeichen Italischer Schriftstücke.

Das Ergebniss der vorstehenden Untersuchungen über Alphabet § 18. und Sclmft der Etrusker ist bis hierher folgendes:

Das Alphabet der Etrusker ist mit dem der Umbrer, Osker und Sabeller wie der Latiner und Falisker aus einem westgriechischen Mutteralphabet hervoi-gegängen, von dem auch das Griechische Alphabet der Chalkidischen Colonien stammt. Die Etruskische Schrift bezeichnet feinere Laut- unterschiede wie Vokallänge, Consonantenverschärfung,

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Uebergauo-slaute und Consouanten mit lialbvokalisclieii oder zischenden Beiklängen mit denselben Mitteln wie die Latei- nische. Die Buchstabenformen der Etruskischen Schrift haben sich vereinfacht und regelmässiger gestaltet, dann abgerundet und verschnörkelt in derselben Weise wie die Lateinischen. Die Etruskische Schrift zeigt dieselben ab- gekürzten Schreibweisen in Monogrammmen, in Siglen von Namen und häufig wiederkehrenden Gattungswörtern und in der Bezeichnung der Zahlwörter durch Ziffern wie die Lateinische, Umbrische und Oskische Schrift. Die unge- trennte Schrift und dieselben Trennungszeichen der Schrift finden sich bei den Etruskern wie bei den ümbrern, Oskern und Latinern.

Die Etruskische Schrift hat sich durch und durch als ein Zweig einer allgemeinen Italischen Schrift erwiesen, der auf Griechiscliem Stamme aus Phönikischer Wurzel ent- sprossen, in einer gemeinsamen Culturentwickelung der Italischen Stämme sich eigenthümlich gestaltet hat. Diese Thatsache ist von grosser Bedeutung für die Erforschung der Etruskischen Sprache; denn sie rückt von vorn herein wenig- stens die Möglichkeit sehr nahe, dass diese Sprache ein Erzeugniss desselben Italischen Geistes sei wie die Schrift, in der sie sich augen- fällig darstellt.

7. Arten der Etruskischen Inschriften.

19. Die Etruskischen Inschriften sind verschieden je nach

dem Stoffe, auf dem sie verzeichnet, nach dem Werkzeuge, mit dem sie geschrieben sind, und nach dem Gedankeninhalt, der durch ihren Zweck bestimmt ist.

Der Stoff, auf welchem die Inschriften verzeichnet sind, ist erstens Stein. Von Steinarten sind am meisten benutzt wordßn Kalkstein, namentlich der Travertin, und vulkanisches Gestein, insbesondere der mürbere röthliche oder gelbliche Tuf der meisten Etruskischen Berge, und eine härtere schwarzgraue Tufart, Nenfro genannt, die in der Gegend von Vulsinii, Tarquinii und Statonia ge- brochen wurde, im Wesentlichen dasselbe Gestein wie der Peperin von Latium. Diese einheimischen Etruskischen Steinarten sind verarbeitet Avorden zu Sarkophagen, Aschenkisten, Grabsteinen, Grabhäuschen, Säulen, Cippen, Pfeilern und Grabwänden. Seltener sind verwandt worden Sandstein und Marmor von Luna oder aus der Maremma, dieser am häufigsten in Aschenkisten von Clusium, aber auch in Sarko-

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phagen von Tarquinii, in Grabdenkmiilern und Bildwerken, Alabaster von Volaterrae oder vom Vorgebirge Circeji, vorwiegend in Aschen- kisten von Volaterrae, aber auch in Sarkophagen der Nekropolen von Caere und Tarquinii und sonst, Edelsteine von Gemmen und Sca- rabäen, am meisten der Karneol, Ferner sind die Etruskischen In- schriften geschrieben auf dem Wand kalk der Grab wände, auf ge- branntem oder ungebranntem Thon, der von den Etruskern vielfach zu Gefässen, Aschenkisten, Grabziegeln, baulichen Ornamenten, Reliefs und Statuen verwandt wurde, auf Metall, und zwar ganz überwiegend auf Bronze, die zu Statuen, Spiegeln, Gefässen, Cande- labern und zahlreichen anderen Geräthschaffcen verarbeitet ist, selten auf Silber von Bechern oder auf Gold von Spangen. Auch in Knochen und Elfenbein finden sich Etruskische Inschriften ein- geschnitten.

Die Inschriften sind verschieden nach dem Werkzeug, mit dem sie angefertigt sind. Sie sind entweder mit dem Meissel ein- gehauen in Stein, oder mit dem metallenen Spitzgriffel oder Grabstichel eingegraben in Metall, Thon oder Wandkalk, seltener mit dem Spitzmeissel oder Bunzen in Bronze eingehauen, oder sie sind aufgemalt mit dem Pinsel auf Stein, Wandkalk oder Thon. Vielfach ist auch der eingemeisselte oder eingegrabene Buchstabe ausgemalt, seltener mit schwarzer, häufiger mit rother Farbe, namentlich mit Mennig. Nur selten sind die Etruskischen Inschriften aufgeprägt mit dem Stempel auf den noch weichen Thon, bevor er gebrannt wurde, so dass also die Buchstaben auf so angefertigten Thongefässen, Lampen oder Grabziegeln erhaben ausgeprägt sind, und noch seltener mit dem Stempel in Bronze eingetrieben.

Die Inschriften sind drittens verschieden nach dem durch ihren Zweck bestimmten Gedankengehalt. Nach den Ergebnissen der folgenden Untersuchungen unterscheidet man am zweckmässigsten folgende Hauptarten Etruskischer Inschriften:

1. Gedenkinschriften an Verstorbene. Diese bilden die überwiegende Masse der Etruskischen Sprachdenkmäler.

2. Erklärende Inschriften zu Bildwerk, mag dasselbe mit dem Meissel, mit dem Grabstichel odcT* mit dem Pinsel, von dem Bildhauer, dem Toreuten oder dem Maler angefertigt sein. In überwiegender Menge sind dies Inschriften von Bronzespiegeln.

3. Schenkungsurkunden im weitesten Sinne des Wortes. Dies sind entweder: ^

a. Weiheinschriften auf Geschenken für Etruskische Gottheiten, selten für Menschen, meist auf Bronzewerken und Thongefässen.

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1). Kurze Stiftungsinschriften von Gräbern, mehrfach

über den Portalen derselben geschrieben. c. Grössere Schenkungsurkunden von Gräbern, welche die für dieselben hergegebenen und geweiliten Gegenstände aufzählen und die Namen der Geber nennen, geschrieben auf Grab wänden, Grabpfeilern, Cippen, platten Steinen oder Sarkophagen, vielfach zusammen mit Gedenkinschriften, wie in den ausführlicheren Römischen und Griechischen Grabschriften. 4. Künstlerinschriften, welche die Kunstarbeit von To- reuten oder Bronzearbeitern, Bildhauern, Steinhauern, Baumeistern, Malern und Vasenformern oder Töpfern erwähnen, auf Bronzewerken, Grabdenkmälern, Steinsärgen, Gefässen und Wandgemälden von Gräbern, vielfach zusammen mit Weiheinschriften, Stiftungsinsclmften und grösseren Schen- kungsurkunden von Gräbern. Unter allen bis jetzt bekannten Etruskischen Inschriften hat sich keine einzige von einem Beamten kraft seines Amtes ausgefertigte Staatsurkunde gefunden. Ihre Verfasser sind entweder Hinter- bliebene von Verstorbenen, und zwar meist Mitglieder angesehe- ner und wohlhabender Etruskischer Familien, oder Etruskische Künstler, auch diese zum Theil derselben Herkunft. Als Leser der Inschriften sind meist die Hinterbliebenen und Nach- kommen von Verstorbeneu vorausgesetzt, welche die Gräber ihrer Lieben und ilirer Vorfahren besuchten. Aus Gräbern allein kann die Etruskische Sprache zum Leben wiedererweckt werden.

8. Fälschung und Verderbniss Etruskischer Inschriften.

§ 20. L)ie Fälschungen Etruskischer Inschriften lassen sich in zwei

Klassen eintheilen. Entweder ist bloss die Inschrift auf eine Wand, einen Stein oder ein Kunstwerk geschrieben von der Hand eines Fälschers in betrüglicher Absicht oder aus Mutli willen, oder es ist ein ganzes Kunstwerk mit einer Inschrift in gewinn- süchtiger Absicht von der Hand eines neueren Künstlers oder Hand- werkers angefertigt. Kenntlich sind diese Fälschungen hauptsäch- lich an den Schriftzeichen, die entweder überhaupt keine Etrus- kischen Buchstaben sind, oder doch von den sonst vorkommenden Formen derselben wesentlich abweichen, aber auch an sprachlichen Missformen und an nachlässiger und eilfertiger Kunstarbeit, die sich bei Bronzearbeiten insbesondere an den verschwommenen Formen und unklaren Umrissen der Gestalten zeigt.

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Unter den gefälschten Etrusjiisclien Inschriften verdient den ersten Platz die berüchtigte Aufschrift eines angeblich bei Cor- tona gefundenen Altars in Lateinischer Schrift (F. 1020), jetzt im Brittischen Museum, die früher für ein Etruskisches Gebet gegen Feuersbrünste ausgegeben und von dem Englischen Bischöfe Lichfield scherzhaft „my Etruscan fire insurance policy" genannt wurde. Schon Lanzi hat diese Feuerversicherungsinschrift als Machwerk eines Fäl- schers erkannt (Sagg. di ling. Etrusc. III, Supplem. p. 78. not. ed. 2) und Lepsius dieselbe als ein Flickwerk aus halb verdorbenen Etrus- Idschen und aus Umbrischen Wörtern so schlagend nacligewiesen (Inscr. Unibr. et Ose. Comment. p. 55 f.), dass dieses Schriftstück die volle Berechtigung hat, aus künftigen Sammlungen Etruskischer Inschriften zu verschwinden. Als eine ähnliche Fälschung hat Fabretti die In- schrift eines Geflisses im Brittischen Museum erkannt, welche mit den Umbrischen Anfangsworten einer Tafel von Iguvium beginnt (F. Prim. supplem. n. 454. t. Iguv. II a). Andere gefälschte In- schriften sind nachgewiesen auf Aschenkisten, Gefässen, Grab- säulen und Grabsteinen (F. 362, 2, h. c. d. 1018, 2, d. 1913, a. 1913, h. vgl. F. Prim. siippl. n. 245. 450). Eine falsche Grabschrift ist von der Hand eines Engländers eingekratzt in eine Wand des Grabes der Tarquinier von Caere, von der noch unten die Rede sein wird (s. unten § 147). Gefälschte Inschriften mit verdorbenen Etruski- schen Buchstaben und beliebigen Schriftzügen, die gar kein* Buch- staben sind, habe ich unter dem Fusse zweier Thongefässe im Mu- seum von Neapel am 13. und 14. Juni 1870 gefunden, einer grösseren Schaale, die auf der unteren Seite des Randes neben der gefälschten Inschrift vier einzelne richtige Etruskische Buchstaben aufweist (In- vent. n. 3362), und eines kleinen Gefässes von gelbem Thon mit schwarzen Figuren archaistischen Stils und mit einzelnen richtigen Buchstaben neben willkührlichem Gekritzel. Gefälschte Aschen- kisten und Spiegel von Blei mit Reliefs und Inschriften sind mehrfach zu Perugia, Foligno und an anderen Orten angefertigt wor- den (Con. Mon. Per. IV, p. 292. 392. 468. 509. 510. F. 1628. 1691, 1722. 1916. 1991). In dem Zimmer der Kostbarkeiten (Stanza degli oggetti preziosi) des Museums zu Neapel sah ich die vergoldete Sta- tuette eines stossenden Stieres auf doppelter Base. Auf der vorderen Seite der unteren Base steht in der heutigen Griechischen Bücherschrifc geschrieben ^EQQi%og QoqtcbIIo, wahrscheinlich der Name eines Italieners Errico Forcelli in Griechischer Verkleidunsr. Auf der vorderen Seite der oberen Base aber sieht man eine seltsame links- läufige Inschrift, die Etruskisch sein soll, wie man aus der Richtung der Schrift und aus den Buchstabeuformen % ^, ^ schliessen muss,

CoRssEN, Etruskische Sprachdenkmäler. 4

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aber daneben Schriftzüge zeigt^ die in Italischen und Griechischen Alphabeten nicht zu finden sind. Dass diese Inschrift von Fälscher- hand herrührt^ ist sicher; schwerlich wird auch ein Archäologe den vergoldeten Stier für etwas anderes halten als für eine moderne Nach- bilduns: des stossenden Stieres auf Italischen und Griechischen Münzen und anderen Bildwerken.

Ausgebreitet ist die Fälschung Etruskischer Bronzearbeiten in Italien. In einer Sammlung angeblich Etruskischer Alterthümer im Besitze eines Priesters am Bolsener See sah ich eine grosse bron- zene Medaille mit dem Relief eines Ritters in der Waffentracht des fünfzehnten Jahrhunderts, und um dieselbe eine Umschrift, bestehend aus allerhand theils nach rechts, theils nach links gewandten Latei- nischen und Etruskischen Buchstaben wüst durch einander. Ein anderes Exemplar derselben Medaille fand ich in der Sammlung Etrus- kischer Alterthümer von Valeri zu Toscanella, die auch von ihrem Besitzer offen für eine Fälschung erklärt wurde. In einer Kunsthand- lung der Via Condotti zu Rom sah ich eine bronzene Statuette eines nackten Kriegers mit Helm und Schwert, auf dessen Wehrgehenk allerhand Striche eingekratzt waren, die eine Etruskische Inschrift vorstellen sollten. Andere Exemplare dieser Gestalt sind mir hernach in Etrurien öfter begegnet. Auch von der Bronzestatue eines Etrus- kischen Priesters, der aus einer Schaale eine Libation ausgiesst, habe ich neue Ausgaben von verschiedener Grösse gesehen. Zu Gubbio soll, wenn ich recht unterrichtet bin, eine Fabrik Etruskischer Bronzewerke schwungvoll betrieben werden.

In guter Absicht, aber von täj)pisclien Händen, sind Etrus- kische Inschriften zum Theil verfälscht worden, indem man die Farbe der eingemeisselten Buchstaben durch neues Aufstreichen von rother Farbe wieder auffrischte, wobei denn zufallige Risse und Beschädigungen des Steines oder Zwischenräume zwischen Buchstaben mit Roth übertüncht, hingegen wirkHche Striche von Buchstaben über- gangen waren. Durch diese Art von Restauration fand ich nament- lich auf Aschenkisten von Chiusi, die frülier dem Museum Casuccini angehörten, jetzt in der Säulenhalle des Museums von Palermo auf- gestellt sind, die Schriftzüge der Inschriften mehrfach gefälscht und entstellt, und auch im Etruskischen Museum des Vatican wie im Museum von Neapel habe ich Beispiele von solchem Ueberpinseln der Inschriften gefunden.

Für die sonstigen Verderbnisse, an denen die aus älterer Zeit herrüln-enden Etruskischen Inschriften leiden, sind die Haupt- nrsachen die grosse Verschiedenheit der Formen Etruskischer Buch- staben tili- denselben Laut neben der Aehnlichkeit mancher Schrift-

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zeichen für verschiedene Laute^ vielfach an denselben Fundstätten und in demselben Sprachdenkmal, die bis vor einem Menschenalter noch mangelhafte Kenntniss von der Geltung der Buchstaben des Etruski- schen Alphabets, und das Dunkel, in welches die meisten sprachlichen Formen der Etruskischen Inschriften bis jetzt gehüllt waren. Dazu kommt, dass die Abschriften derselben meist von Archäologen herrühren, die beo-reiflicher Weise an den Kunstformen Etruskischer Denkmale und Kunstwerke^ die ihnen verständlich vor Augen standen^ ein grösseres Interesse nahmen als an den Inschriften auf denselben, die für sie räthselhafte, todte Zeichen waren, dass sie also auch nicht geneigt waren, auf die Abschriften derselben viel Zeit und Mühe zu verwen- den. Anderen Abschreibern fehlte es aber auch an jeder Vorstellung von der Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Geduld, die das Lesen und Abschreiben von Inschriften einer noch unbekannten Sprache erfor- dert. So ist es gekommen, dass ältere Texte Etruskischer Inschriften, die sich in handschriftlichen Sammlungen oder bei Dempster, Gori, Passeri, Lanzi und anderen finden, sehr fehlerhaft überliefert sind, manche derselben, deren Originale verloren gegangen sind, in so hohem Grade, dass sie gar nicht wieder herzustellen sind. Erst seit den epigraphischen Arbeiten von Cone stabile und Fabretti ist für die Etruskische Epigraphik eine breitere und festere Grundlage ge- wonnen worden, wie dies schon oben hervorgehoben ist.

^ Gelingt es diesen Untersuchungen den dunkelen Schleier hinweg- zuziehen, der bis jetzt die meisten Etruskischen Sprachformen ver- hüllt hat, dann werden die Etruskischen Schriftzeichen, die uns bisher von den Wänden und Särgen der Gräber so düster und fremd- artig anstarrten, wieder zu lebendigen Sprachdenkmälern werden, die zu uns reden von dem Geistesleben eines merkwürdigen Volkes, das verfallen, und abgestorben ist in der erdrückenden Um- armung des Römischen Staatswesens.

IL Die Etruskisch- Lateinischen Bilinguen und ähnliche

Inschriften.

Die Untersuchung über die Schrift der Etrusker hat ergeben, § 21. dass schon im Zeitalter des zweiten Punischen Krieges die Latei- nische Sprache in Etrurien eingedrungen war, und dass seit dieser Zeit ein Kampf zwischen Lateinischer und Etruskischer

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Sprache und Schrift stattgefunden hat, den wir bis in die älteste Kaiserzeit verfolgen können. Aus dieser Zeit stammen folgende Arten von Inschriften:

1. Etruskische Inschriften mit Lateinischer Schrift und Ein- mengung Römischer Personenbenennung.

2. Inschriften mit Lateinischer Schrift in einer Lateinisch-Etrus- kischen Mischsprache.

3. Inschriften in Lateinischer Schrift und Sprache mit Bei- behaltung einzelner Eigenthümlichkeiten der Etruskischen Personenbenennung.

4. Eigentliche Etruskisch-Lateinische Bilinguen, in denen eine und dieselbe Person sowohl in Etruskischer Sprache mit einheimischer Personenbenennung als in Lateinischer Sprache mit Römischer Benennungsweise bezeichnet ist (s. oben § 12). Fast alle diese Inschriften haben sich gefunden im nordöst- lichen Etrurien und im nördlichen Gebiete der Etruskischen Sprache an den Fundstätten von Volterra, Florenz, Arezzo, Pesaro, am häufigsten aber in den Nekropolen von Chiusi, Monte- pulciano, Chianciano und Perugia. In Südetrurien sind nur ver- einzelt Lateinisch-Etruskische Inschriften gefunden worden, Etruskisch- Lateinische BiKnguen gar nicht.

Für jede dieser oben angegebenen Arten von Inschriften werden in der nun folgenden Untersuchung Beispiele zur Sprache kommen. Es war zuerst Scijoione Maffei, der es aussprach, dass jede me- thodische Erforschung der Etruskischen Sprachdenkmäler bei den Etruskisch - Lateinischen Bilinguen anfangen müsse (Osser- vazioni letterarie, Verona 1740. T. VI. j). 117). Seitdem hat sich er- geben, dass in diesen Inschriften der Etruskische und der Latei- nische Text nur selten in allen Punkten so übereinstimmen, dass dieser die wörtliche Uebersetzung von jenem wäre, da die Etrusker, seitdem sie das Römische Bürgerrecht erlangt hatten, die Römische Benennungsweise nachzuahmen anfingen, indem sie neben ihren einheimischen Etruskischen Vornamen vielfach gebräuch- liche Römische annahmen, ja selbst neben ihre Etruskischen Familien- namen ähnlich klingende Römische setzten, die mit jenen etymolo- gisch nicht verwandt sind (Lanzi, Sagg. di ling. Etr. II, 257 f. Concst. Iscr. Etr. Fir. p. 215 f. Man. Per. IV, n. 703 f. Monmis. C. I. Lat I, p. 254 261. Fahretti, Dei nomi personali p^^esso i popoli delV Itcdia antica p. 14 f. E. Lattes, Osserv. sopra le iscriz. hUingue Etrusco- Latine, estr. d. rendic. d. Ist. Lomhard. di sei. e lett. Vol. IV, fase. XVII. 1. Nov. 1871). Trotz dieser nur theilweisen Uebereinstimmung des Lateinischen mit dem Etruskischen Texte sind die Bilinguen doch

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von hoher Wichtigkeit, weil in ihnen geborene Etrusker Worte ihrer Sprache durch Lateinische Worte übersetzen und er- klären, also für die Erforschung derselben eine, wenn auch nur schmale, so doch feste Grundlage bieten, auf der dieselbe zunächst fussen, von der aus sie ihre Hebel an das Werk ansetzen kann. Als Uebersetzungen Etruskischer Sprachstücke in das Lateinische werden sich mehrfach solche Lateinische Inschriften Etruskischer Gräber ergeben, in denen die Etruskische Weise der Personenbenen- nunsr zum Theil beibehalten oder durch Lateinische 'Wörter umschrie- ben ist. In manchen Fällen leisten auch eine Etruskische und eine Lateinische Inschrift neben einander in demselben Grabe zusammen- genommen dieselben Dienste, wie eine Etruskisch-Lateinische Bilingue, indem sie uns dieselben Namen in Etruskischer und in Lateinischer Form erhalten haben, also jene durch diese erklären.

Die folgende Untersuchung behandelt nun die Etruskisch- Lateinischen Bilinguen und die verwandten Inschriften so, dass sie mit den einfachsten, am leichtesten verständlichen beginnt und zu den schwierigeren fortschreitet, und an jede derselben immer ganze Gruppen und Klassen ähnlicher Etruskischer Inschriften anreiht, für die es nur einer klaren Gruppirung und weniger erläu- ternder Worte bedarf, um sie zu erklären. Indem ich so vor den Augen des Lesers ganze Colonnen typischer Formen von Etruskischen Grabschriften in übersichtlicher Anordnung aufmarschieren lasse, be- zwecke ich, ihn in den Stand zu setzen, wo möglich mit einem Blick die grammatischen Formen und den Sinn zahlreicher Etruskischer Sprachdenkmäler zu überschauen und zu verstehen, und mit dem Wortlaute derselben die Controle meiner Arbeit Schritt vor Schritt in seine Hand zu legen.

In der. grossen Nekropole des Palazzone, der Villa der Grafen Baglioni, etwa zwei Miglien von Perugia, ist neben dem Erbbegräb- niss der Velimnas und etwa gleichzeitig mit demselben im Jahre 1840 auch das Grab der Familie der Casceli aufgedeckt worden, das nur Lateinische Inschriften enthält, aber zum Theil mit Beibehaltung der Etruskischen Nameiisformen. Die Grabschriften von drei Frauen, die in demselben beigesetzt waren, lauten: Conest. Mon, Ter. II, p. 126 n. 23. F. 2007:

Lartia Varna. Con. a. 0. n. 24. F. 2008:

Hastia Alfia L. l._ »• Con. a. 0. n. 22. F. 2006:

Than|ia Achonia Casceli.

Die drei Vornamen der hier genannten Frauen haben im Latei-

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nisclierL dieselbe Form bewahrt, die sie in Etruskischen Inscliriften haben: Lartia (F. 984. 1710), Hastia (F. Gl. p. 564), Thania (a. O.p. 690 f.). Etruskisch sind auch die Familiennamen der drei Frauen: Varna, Alfia, Achonia. Rein Etruskisch ist Alfia. Zwar finden sich in Altlateinischen Inschriften der Stadt Rom die Namen Alfieis, Alfenos (C. I. L. I, 1024, 831); aber diese sind dorthin übertragen worden, da Alfius, Alfenius auf Oskischem Sprachboden heimisch sind (Liv. XXIII, 35. Momms. ünterit Dial. S. 247. I. R. Ncap. Ind. nom. viror. et midier.), und den Oskischen Formen Alfius, Alfia die ächtlateinischen Albius, Albia entsprechen. Die obige Form Alf-ia ist also Etruskisch wie Alfa, Alfa-s', Alf-ei, Alf-i, Alf-i-al, Alf-na, Alf-n-i, Alf-n-i-s, Alf-n-al, Alf-n-ali-sle (F. Gl. p. 71 f.)y und auch die Endung -ia derselben ist so sicher Etruskisch wie von Lart-ia, Hast-ia, Than-ia. 'Etr. Alf-ia entspricht also Osk. Alf-ia, Lat. Alb-ia. Varna ist zwar einmal auch die weib- liche Form des Etruskischen Familiennamens gewesen, wie der von derselben mit dem Suffix -ali abgeleitete Mutter stammname Varn-al lehrt (s. unten §27 f.); aber in den uns erhaltenen Etruskischen Inschriften ist Varna immer Nom. Sing, des männlichen FamiUen- namens, und die dazugehörige weibHche Form desselben ist Varn-ei für *Varn-ia (Fabr. Gloss. p. 1887 f. s. unten § 138 f.). Also in der obigen Grabschrift hat man Yarna als die Lateinische feminine Namensform anzusehn, die an die Stelle der Etruskischen Varnei getreten ist. Latinisiert ist auch der Familienname Achonia der dritten der obigen Grabschriften an Stelle der einheimischen femi- ninen Namensformen Achuni, Achunei (F. Gl. p. 237 f.). Der auf jene folgende Genitiv des Gattennamens Casceli ist Lateinisch; aber diese Benennungsweise von Frauen ist einheimisch Etruskisch (s. unten § 143